Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
beide hatten ein Problem. Ihm wurde der Einblick in seine Akte verwehrt, und Kubicki musste vor seinem Vorgesetzten irgendwie rechtfertigen, warum Pandora in feindliche Hände geraten war. Zu dumm, dass er von Rudee noch nichts über die Akte ‚Gemini‘ gehört hatte. Wenn es dem Thai gelänge, sich in die elektronische Version des Dokumentes einzuhacken, wäre er nicht auf die Bewilligung von Kubicki angewiesen und könnte den BND zum Teufel jagen. So aber musste er mit ihnen verhandeln. Grimmig biss er sich auf die Zunge. Er verabscheute solche Situationen, in denen man ihn dazu zwang, einen Kompromiss einzugehen. Aber er musste diese Akte einfach haben. Musste sehen, was der BND über ihn und vielleicht auch über seinen Bruder wusste. Daran führte kein Weg vorbei! Ondragon lehnte sich vor. Wenigstens einen Trumpf hatte er in der Hand. Die Fotos aus dem Labor, von denen der BND nicht den blassesten Schimmer hatte. Klar, vielleicht waren sie in Besitz der Aufzeichnungen von der Kameraübertagung, die an jenem Tag womöglich nur für ihn ausgefallen war. Vielleicht hatten sie es aber auch versäumt, den ganzen Kram aufzunehmen, und jetzt ging ihnen der Arsch auf Grundeis, weil sie auf eine Nullnummer zusteuerten.
„Herr Kubicki“, hob er an, „ich gehe doch recht in der Annahme, dass Sie jetzt, da Sie die Kiste samt Inhalt verloren haben, mit leeren Händen dastehen. Ich meine, es gab mal Fotos vom Logbuch und der Medaille. Zu dumm, dass meine Assistentin sie auf Geheiß Ihrer Mitarbeiterin vom Computer des Labors gelöscht hat.“ Er sah, wie Kubickis Lippen noch schmaler wurden. Hatte er also den richtigen Nerv getroffen. Der BND hatte nichts, rein gar nichts und stand nun mächtig unter Druck. „Ihnen läuft die Zeit davon. Jede Stunde, die dieser Kerl da draußen mit der Kiste herumläuft, verschafft ihm mehr Einblick in das Geheimnis von Pandora. Vielleicht hat er es aber auch schon an jemand anderen verscherbelt, seinen Auftraggeber womöglich, während wir hier sitzen und nett plaudern. Dabei war es doch ein besonders schützenswertes Geheimnis, das Sie mit Ihrer Operation davor bewahren wollten, in falsche Hände zu geraten.“ Ondragon legte den Kopf schief und schlug einen mitfühlenden Ton an. „Nun, ich sehe, in welcher Bredouille Sie stecken. Vermutlich wird gleich Ihr Telefon klingeln und Ihr Vorgesetzter wird fragen, warum zum Teufel Sie die Kontrolle über Pandora verloren haben. Er will Ergebnisse, keine neuen Probleme! Wie alle Chefs dieser Welt – immer ungeduldig und stets den Finger am Abzug. Aber ich habe Mitleid und mache Ihnen einen Vorschlag, der Sie Ihren Job vielleicht behalten lässt.“ Er machte eine künstliche Pause und kostete Kubickis Anspannung voll aus. Dann zeigte er auf die leere Wasserflasche. „Aber vorher hätte ich gerne was zu trinken!“
Der BND-Führungsoffizier starrte ihn reglos an. Ondragon konnte seine Gedanken förmlich rattern hören. Kubicki blinzelte und ein ergebenes Lächeln erschien auf seinem hageren Gesicht. „Aber natürlich, Herr Ondragon.“ Er erhob sich und verließ das Zimmer. Vermutlich holte er nicht nur Wasser, sondern führte auch ein oder zwei Telefonate, nur zu seiner Absicherung. Es war schon jämmerlich, wenn man nicht selbst Entscheidungen treffen konnte, dachte Ondragon und war heilfroh, dass er sein eigener Chef war. Er musste an Roderick DeForce denken, seinen einstigen Boss bei DeForce Deliveries. Ihm hatte er viel zu verdanken. Rod war ein prima Vorgesetzter gewesen, knallhart, aber gerecht … und ein wohlwollender Mentor. Trotzdem wusste Ondragon es sehr zu schätzen, dass er nun niemandem mehr Rechenschaft schuldig war, anders als Kubicki, der vor seinem Chef bestimmt gerade buckeln musste. Schadenfreude kitzelte in seinem Bauch, als er sich das Gespräch bildlich vorstellte.
Die Tür ging auf, und mit einer unauffälligen Geste wischte sich Ondragon das Grinsen aus dem Gesicht. Grimmigen Blickes nahm er die von Kubicki dargebotene Wasserflasche entgegen. Sie war gekühlt und er schenkte sich ein. Geht doch, dachte er und trank zufrieden ein paar Schlucke. Dabei beobachtete er Kubicki über den Rand des Glases hinweg. Mr. Oberwichtig stand noch immer neben dem Tisch und blickte zerknirscht drein.
Betont gemächlich leerte Ondragon das Glas und stellte es auf den Tisch. „So, und nun zum Geschäft! Aber bitte setzen Sie sich doch. Ist sonst zu ungemütlich.“ Er wies auf den Stuhl und Kubicki tat tatsächlich, wie ihm
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