Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
jemand und hatte den Sand losgetreten.
Plötzlich erschien eine runde dunkle Silhouette über dem Rand. Jemand sah zu ihr hinunter.
Zu schwach, um aufzustehen, warf Christine die Arme in die Luft und schrie. Tränen liefen ihr über das Gesicht und hinterließen dunkle Streifen im Schmutz auf ihren Wangen. Das Rufen wurde zu einem Schluchzen. Verzweifelt brüllte Christine dem hellen Viereck entgegen …
Doch der Kopf bewegte sich nicht von der Stelle.
War es überhaupt ein Kopf?
Christine rieb sich den Staub aus den Augen und versuchte, mehr zu erkennen. Da drang ein Geräusch an ihre Ohren. Das Rieseln von Steinen und …
Ihr Herzschlag setzte aus und der kalte Atem der Angst hauchte in ihren Nacken, ganz so, als säße sie direkt hinter ihr. Als hätte die Angst schon all die Zeit über dort im Schatten zwischen den Felsen gekauert und nur darauf gewartet, sich endlich auf sie zu stürzen.
Unfähig, sich zu bewegen, blickte Christine hinauf.
Dort oben war ihr Vater.
Der Zombie Cadavre!
Nun streckte er sogar die Arme nach ihr aus. Aus seiner Kehle drangen gurgelnde Laute, als versuche er zu sprechen. Speichel troff von oben auf Christines Gesicht herab, doch sie konnte nur dasitzen und starren. Die unheimlichen Laute des Zombies hallten von den Wänden wider, vervielfältigten sich und bald hörte es sich an, als hocke dort oben eine ganze Schar von diesen abscheulichen untoten Wesen.
Oben an der Öffnung begann Etienne Dadou immer heftiger mit den Armen zu rudern, und auch seine heiseren Rufe wurden lauter und irgendwie verzweifelter. Christine hätte sich gerne die Ohren zugehalten, doch sie war wie gelähmt.
Von einem Augenblick auf den nächsten war der Zombie verschwunden und Stille sank in den Schacht hinab. Benommen blinzelte Christine dem viereckigen Licht entgegen – die einzige Bewegung, zu der sie fähig war.
Wo war der Zombie hin? Und was hatte er vor?
Sicher war, dass er nicht müde wurde, sie zu verfolgen.
Aber wenn sie den Schacht nicht hinaufkam, dann kam er ihn auch nicht hinunter, dachte Christine bitter. Wie seltsam doch das Schicksal manchmal spielte. Erleichtert spürte sie, wie die Angst von ihr abließ und sich wieder in die Schatten zurückzog. Gleichzeitig wusste Christine jedoch, dass die Angst von ihrem Versteck aus weiterhin ihre kleinen gelben Augen auf sie gerichtet hielt, um sofort wieder zustoßen zu können.
Wenn doch der Tod endlich käme, dachte Christine erschöpft. Sie hatte keine Kraft mehr, gegen die Angst anzukämpfen. Sie würde es sowieso nicht schaffen, sie zu besiegen.
Leise begann sie, Baron Samedi anzurufen und ihn darum zu bitten, sie endlich zu sich zu holen.
In die Welt der Toten.
Der Weg dorthin konnte nicht mehr allzu lang sein.
Denn unter der Erde befand sie sich ja bereits.
24. Kapitel
14. Februar 2010
Die Küste von Jamaika,
7,6 Meilen westlich von Port Antonio
15.35 Uhr Ortszeit
Nachdem das Flugzeug auf der asphaltierten Bahn gelandet und langsam vor dem Hangar, der eher einer flachen Wellbrechhütte glich, zum Stehen gekommen war, wurde von zwei Mitarbeitern des Privatflugplatzes eine wackelige Gangway an die Maschine geschoben, und die Tür zur Kabine öffnete sich. Heraus traten drei Gestalten. Zwei Weiße in dunkler Soldatenmontur und mit Sonnenbrillen auf den Nasen und eine dunkelhäutige Frau mit Brille und Arztkittel. Auf der Kleidung der Soldaten waren deutlich die Abzeichen des amerikanischen Militärs und der Friedenstruppe der Vereinten Nationen zu erkennen, und die Ärztin schien einer der bekannten Hilfsorganisation anzugehören. Es war offensichtlich, dass sie auf dem Weg zu einer Hilfsaktion nach Haiti waren.
Schwere Taschen schleppend gingen die drei Neuankömmlinge auf einen wartenden Jeep zu und stiegen ein. Wortlos startete der Fahrer den Motor und fuhr bis zum Ende der Startbahn, wo er ein Tor im Maschendrahtzaun passierte. Auf einem kaum zu erkennenden Weg holperte der Jeep zwischen rosa blühender Strandwinde und niedrigen Sea-Grape-Bäumen hindurch direkt an den Strand, wo ein Schnellboot mit einem überdachten Heck auf sie wartete.
Die Gruppe stieg aus und watete, die Taschen auf Schulterhöhe gestemmt, durch das flache, türkisfarbene Wasser zum Boot, das vorne eine kleine Kabine besaß, die schon mit acht riesigen Benzinkanistern beladen war. Ihr Rückfahrticket.
Der Mann, der das Boot bewacht hatte, grüßte den Anführer der Gruppe und sprang von Bord ins Wasser. Als er den Strand erreichte, brüllten
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