Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Rod. Ich bin Mari.“
Ondragon vermutete, dass die beiden sich gerade die Hände schüttelten, und presste seine Kiefer noch härter aufeinander.
„Übrigens, was mich noch interessiert“, sagte Rod, „ist Tombeau Ihr richtiger Name?“
„Ja. Ob Sie es glauben oder nicht. Der Name unserer Familie geht auf einen Totengräber zurück. Auf meinen Ur-Ur-Ur-Großvater. Er war ein berüchtigter Magier.“
„Aha.“
„Aber wir sprachen gerade über Mr. Ondragon“, erinnerte ihn die Madame.
„ Ja, ganz recht. Nun, Paul hat für mich gearbeitet, aber das ist schon lange her“, sagte Rod mit wehmütigem Klang in der Stimme.
„Und warum ist er jetzt Ihr Boss?“, wollte die Madame wissen.
Ich bin zwar der Auftraggeber, aber es ist seine Operation, also gelten auch seine Regeln. Damit habe ich kein Problem. Paul ist verdammt gut in dem, was er tut! Er war der beste Mailman, den ich je hatte, und ich habe es damals sehr bedauert, dass er gegangen ist. Aber er wollte unbedingt sein eigenes Geschäft aufziehen. Für ihn war ein eigenes Business das Einzige, was in Frage kam. Er ist ein Einzelgänger, ein einsamer Jäger – immer auf der Suche nach dem Thrill und dem kniffeligsten Rätsel dieser Galaxie. Immer in Bewegung. Unglaublich, was für eine Energie den Kerl antreibt. Er hat im Übrigen eine ganz ähnliche Ausbildung wie Sie, Mari. Einen Harvard-Abschluss in Politik und einen MBA. Auch er hat bei einer großen Consulting-Fima angefangen, in Deutschland, glaube ich. Aber er war sehr unzufrieden mit dem Job. Seinen Aussagen zufolge ist er überall mit seinen unorthodoxen Ideen angeeckt und galt schnell als Freak in der Branche. Schließlich traf er mich auf einer Dienstreise in Ägypten. Danach kündigte er. Ich habe ihn unter meine Fittiche genommen und in allem ausgebildet, was ein Mailman können muss. Das hat ihm sehr gelegen und eine Weile war er bei DeForce der beste Mann, doch dann packte ihn sein Ehrgeiz, wenn Sie es so nennen möchten, und er stieg aus. Leider. Aber Paul ist eben nicht zu bremsen. Und er hat sich mit unheimlicher Geschwindigkeit weiterentwickelt. Aber er besitzt auch einen ziemlich speziellen Charakter, wie Sie wohl schon festgestellt haben dürften.“
Ondragon hörte, wie die Madame einen zustimmenden Laut von sich gab, und Rod amüsiert weiter sprach: „Heute tobt er überall in der Weltgeschichte herum und erledigt diese heiklen Aufträge, ohne dass es ihm etwas auszumachen scheint. Ich glaube, er hat nicht einmal Jetlag und ist immer in Topform. Und er hat vor nichts Angst!“
Dies alles von seinem Freund zu hören, schmeichelte Ondragon natürlich sehr. Aber seine Laune sackte schlagartig in den Keller, als er daraufhin Madames Bemerkung hörte.
„Mr. Ondragon ist in der Tat sehr speziell. Leider auch ein wenig steif in seinen Umgangsformen, will ich meinen. Und er ist nicht ganz so furchtlos, wie Sie ihn beschreiben.“
„Nicht?“
„Nein, er hat durchaus Ängste, die ihn bremsen!“
Rod schien zu stutzen, bevor er fragte: „Wie meinen Sie das, Mari?“,
„Seine Ängste sind seine Achillesferse. Sie führen ihn an dunkle Grenzen, denen er lieber ausweicht, anstatt sich ihnen zu stellen. Das ist sein Fehler: Er geht bis an die Schwelle, aber nicht weiter.“
Das stimmt nicht , dachte Ondragon empört.
„Er weiß, dass er es tun müsste“, fuhr die Madame fort, „aber er fürchtet sich zu sehr vor den Konsequenzen, deshalb kneift er und ignoriert seine Ängste.“
„Welche Ängste sind das? Ich hatte Paul eigentlich immer für ziemlich unerschrocken gehalten.“
„Ich ziehe es lieber vor, das vertraulich zu behandeln. Es steht mir nicht zu, über seine Probleme zu reden, zumal er sie mir persönlich auch nicht anvertraut hat.“
„Und woher wissen Sie dann davon?“
„Ich kann es fühlen, ich sah etwas Ungewöhnliches in seiner Aura.“
„Soso.“
In der Sitzreihe hinter den beiden spürte Ondragon deutlich, dass nun Rod an der Reihe war, den Voodoo-Zauber in Zweifel zu ziehen und damit auch die seltsamen Kräfte, die dieser der Madame angeblich verlieh. Er hörte, wie sich die Priesterin in ihrem Sessel vorlehnte und Rod mit gedämpfter Stimme fragte: „Eines würde ich allerdings noch gerne wissen. Kannten Sie Mr. Ondragons Zwillingsbruder und wissen Sie, was mit ihm geschehen ist?“
„Er hatte einen Bruder?“, fragte Rod erstaunt zurück. „Tut mir leid, Mari, darüber weiß ich nichts. Seltsam, dass er mir nie davon erzählt hat.“
Sorry
Weitere Kostenlose Bücher