Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Weitermarsch.
Der Hubschrauber erschien nicht noch einmal, und so trafen sie eine Stunde später unbehelligt auf die Route 208. Nach einer kurzen Trinkpause im Schatten eines Baumes setzten sie ihren Weg fort und folgten einem schmalen Trampelpfad, der in einigem Abstand zur Straße durch ein tropisches Waldstück führte. Hier waren sie wenigstens vor neugierigen Augen und sporadisch vorbeifahrenden Autos geschützt.
Als das Gelände abschüssig wurde, hielt Ondragon erneut an und gab letzte Anweisungen. „In Kürze erreichen wir das Dorf. Ich will, dass wir die Befragung der Leute so schnell wie möglich durchführen und bis heute Abend unser Ziel in den Bergen erreicht haben. Im Dorf bleiben wir immer beieinander und verhalten uns ruhig und professionell. Und immer die Augen offen halten.“ Er sah die Madame an, die sich bei der Kletterpartie trotz ihres Gepäcks überraschend geschickt angestellt hatte. Ein dünner Schweißfilm bedeckte ihr Gesicht und ließ ihre Wangenknochen glänzen. Sie sah verdammt attraktiv aus.
„Sie dürfen Ihren Arztkittel jetzt anziehen, Frau Doktor“, sagte er und zwinkerte ihr zu, um die angespannte Stimmung zwischen ihnen etwas aufzulockern.
Die Madame schnalzte jedoch lediglich mit der Zunge, zog sich den Pulli über den Kopf, holte den Kittel aus ihrem Rucksack und schlüpfte in die weißen Ärmel. Danach verstaute sie die Desert Eagle im Holster und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass sie bereit war.
Ondragon setzte sich den mit blauem Lack und den weißen UN-Lettern besprühten Helm auf und übernahm die Führung zum Dorf, das M16 locker im Arm. Gefolgt von der Madame und Rod trat er aus dem Wald und blickte über die Ebene, die mit kleinen Feldparzellen und nur spärlich wachsenden Bäumen bedeckt war. Das Dorf Nan Margot war eigentlich kein Dorf, es bestand eher aus einer weit verstreuten Ansammlung von trostlosen Behausungen aus Wellblech, grob behauenen Steinen und Holz. Einige der Hütten besaßen Dächer aus getrockneten Palmwedeln.
Ondragon sah sich um, während er sich den ersten Hütten näherte. Es war still, und nur vereinzelt sah er einen dünnen schwarzen Körper auf einem der Felder arbeiten. Auf einem kleinen, eingezäunten Grundstück stand ein angepflockter Esel mit einem primitiven Sattel aus Stroh und abgeschnittenen Ohren. Eine jämmerliche Kreatur. Genau wie die mageren Hühner, die zwischen den Behausungen hin und her liefen. Sonst war niemand zu sehen. Viele der Hütten, an denen sie vorbeigingen, waren eingestürzt. Aus anderen quoll der Rauch von Kochfeuern. Es roch nach Abfall, Hühnerdreck und dem süßen Parfüm tropischer Blütenpflanzen.
Ondragon fühlte sich an seine Einsätze in Afrika erinnert.
Nur dass sich dieses Afrika direkt vor der Haustür der Vereinigten Statten von Amerika befand.
Er blieb vor einer der Hütten stehen und fragte die Madame, wo all die Bewohner waren. Noch ehe sie antworten konnte, kam eine Horde verdreckter Kinder über die Straße auf sie zugelaufen. Sie umflossen die drei Fremden wie Wasser einen Felsen und reckten ihnen laut durcheinanderrufend die dünnen Arme entgegen.
„Was wollen sie?“, rief Ondragon, der trotz seines sehr guten Französischs keine Chance hatte, das Kreolische zu verstehen.
„Dass wir mitkommen!“, entgegnete die Madame.
„Wohin?“
„Sie sagen, einer aus dem Dorf sei aus den Bergen zurückgekehrt.“
„Was soll das heißen?“ Ondragon stieß eine kleine Hand weg, die in seinen Taschen zu forschen begann. „Sagen Sie den Schreihälsen: Derjenige, der uns zu jemandem führt, der uns Informationen über die Mine und das Labor geben kann, bekommt Bonbons.“
Die Madame warf ihm einen Blick zu, der sagte, dass sie diese Art der Konversation nicht guthieß, wandte sich dann aber wieder an die Kinder.
Ondragon schüttelte den Kopf. Was hatte sie gedacht, wozu sie hier sind? Bestimmt nicht, um Almosen zu verteilen.
Nachdem die Madame übersetzt hatte, wurde das Geschrei der Kinder jedoch nicht weniger. Jeder schien ihnen etwas mitteilen zu wollen, und das Gedränge wurde allmählich nicht nur Ondragon unangenehm. Er sah, dass auch Rod sein Gewehr hob, um sich Platz zu verschaffen.
„Sagen Sie den Kindern, sie sollen Abstand halten! Sonst gibt es gar nichts. Sofort!“, rief er der Madame über die Köpfe der schreienden Kinder hinweg zu. Doch seine Bitte ging in dem Lärm unter.
Es gab nur eine Möglichkeit, Ruhe zu schaffen. Er hob sein Gewehr und gab drei
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