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Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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Schüsse in die Luft ab.
    Schlagartig verstummte die Horde Kinder und floh in alle Richtungen davon. Bis auf einen kleinen Jungen, der mit großen Augen zu der Madame aufsah und mit dünner Stimme zu ihr sprach.
    „Er sagt, sie brauchen dringend einen Arzt, und da ich einer bin, soll ich schnell mitkommen.“
    Ondragon seufzte und ließ das M16 sinken. Nun gut, dann würde sie jetzt eben Arzt spielen. Er winkte der Madame und Rod, dem kleinen Jungen zu folgen. Zumindest konnte er hoffen, dass sie dort, wo er sie hinführte, auf andere Menschen träfen, die sie würden befragen können.
    Der Knirps rannte barfuß vorweg und hinterließ eine dünne Staubfahne in der Luft, der sie folgten. Er lief quer über Felder mit trockenen Maisstauden und mickrigen Bananenpflanzen, vorbei an verlassenen Hütten, einem verrosteten Autowrack und brennenden Müllhaufen. Sie erreichten eine flache Mauer, die ein staubiges Feld umrahmte, aus dem behauene Steine und Holzkreuze ragten, und sahen am Rand eine große Menschenansammlung in der prallen Sonnen stehen. Ondragon verlangsamte sein Tempo, während der kleine Junge zu der Gruppe rannte und laut rufend auf sie zurückzeigte.
    „Langsam nähern!“, warnte Ondragon seine beiden Begleiter und entsicherte vorsichtshalber wieder das Gewehr.
    Die Menschen hatten sich derweil umgedreht, und Feindseligkeit und Misstrauen schlugen ihnen aus deren Blicken entgegen. Absolute Stille kehrte ein, als sie bei der Gruppe ankamen, die etwas in ihrer Mitte verbarg. Ondragon starrte in die schwarzen Gesichter der schlotterdünnen Gestalten in Kleidungsstücken, die man in Amerika nicht mal an einem Bettler finden würde. In den kohlschwarzen Augen stand Hass und in den geöffneten Mündern kaum ein gesunder Zahn. Viele Gesichter waren von schwärenden Ekzemen gezeichnet. Einem der Kinder fehlte ein Auge. Was für ein Haufen Elend!
    Er bat die Madame, zu erklären, wer sie waren, und in der Stille hörten die Leute zu. Plötzlich trat ein älterer Mann vor und entließ einen wilden Wortschwall gegen die Madame. Seine knorrige Faust fuhr dabei immer wieder vor ihrem Gesicht durch die Luft.
    Bereit, jederzeit einzuschreiten, trat Ondragon neben sie und ließ den Kerl nicht aus den Augen. „Was sagt er?“, fragte er flüsternd.
    Die Madame legte ihre Stirn in Falten und übersetzte den starken Dialekt. „Er sagt, er sei der Vertreter des verstorbenen Dorfvorstehers und schimpft darüber, dass wir uns wochenlang nicht hätten blicken lassen und dass wir uns jetzt zum Teufel scheren sollen! Sie würden das selber regeln. Er beklagt die schlechte Organisation der Hilfskräfte nach dem Erdbeben. Ein Dutzend Jeeps seien durch ihr Dorf gefahren, doch keiner hätte angehalten und sich um ihre Verletzten gekümmert. Nicht ein einziger blanc hätte sich für sie interessiert. Wir seien die ersten, die hier aufkreuzen – und das nach einem ganzen Monat. Dabei benötigen die Kranken im Dorf dringend Medikamente. Siebzehn Menschen seien an einer Infektion gestorben, als Folge ihrer Verletzungen, weil sie keinen Arzt hatten. In Jacmel und den anderen Städten, da seien die blancs mit ihrer Hilfe fleißig und verteilten Essen und Medizin. Auf dem Land aber überließen sie die Bevölkerung ihrem Schicksal!“
    Oh Mann, dachte Ondragon. Ein Konflikt dieser Art hatte ihm gerade noch gefehlt. Es wäre besser gewesen, sie hätten das Dorf ausgespart und die Mine auf eigene Faust erkundet. Aber dafür war es nun zu spät. „Sagen Sie den Leuten, sie bekommen von Ihnen als Ärztin eine Voruntersuchung und versprechen Sie ihnen, dass wir weitere Ärzte hierherschicken werden.“
    „Aber das stimmt doch nicht!“, wandte die Madame empört ein.
    „Das weiß ich selbst, aber wir sind nicht hier, um die Samariterrolle zu spielen. Wir haben einen konkreten Auftrag! Ich hoffe, das haben Sie nicht vergessen.“
    „Seien Sie unbesorgt, das habe ich nicht.“ Sie drehte sich zu dem alten Mann um und fragte ihn etwas. Dann wandte sie sich wieder an Ondragon. „Er sagt, dann könnten wir gleich hier mit der Untersuchung anfangen!“
    Kaum hatte die Madame das ausgesprochen, entstand eine Lücke in dem Ring aus Menschen und gab den Blick auf das Innere frei, das bis eben noch verdeckt gewesen war.
    Ondragon sog scharf Luft ein, und auch Rod erging es neben ihm genauso, als er sah, was dort auf der Erde lag.
    „ Holy Shit! “, flüsterte sein Freund.
    „Bondieu!“ Die Madame stürzte in den Mittelpunkt des Kreises und

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