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Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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Abnutzungsspuren tippte Ondragon darauf, dass dies Ellys‘ erste Wahl war, wenn er für einen Job verreiste. Er ließ die Verschlüsse aufschnappen, hob den Deckel an und sah hinein. Ein merkwürdig unförmiges Gebilde lag oben auf dem schwarzen Schaumstoff, mit dem das Innere gepolstert war. Ondragon nahm es heraus und drehte es zwischen den behandschuhten Fingern hin und her. Ein kleiner Sack aus schmutzigem Leinen, oben zusammengebunden mit grobem, schwarzem Garn, das eine große Schlaufe bildete, als könne man sich das Ding um den Hals hängen. In dem Knoten an dem Säckchen steckten schwarze Vogelfedern und etwas, das Ondragon für einen getrockneten Hühnerfuß hielt. Demnach konnte es sich bei den braunen Flecken auf dem Stoff durchaus um Blut handeln. Ondragon hielt sich das Ding unter die Nase. Ein penetranter Geruch ging davon aus, dumpf und süßlich wie von Patchouli und Zersetzung von Fleisch. Ekelhaft. Wofür brauchte Ellys so etwas? War das ein Amulett? Ein Fetisch?
    Er warf das Souvenir wieder zurück in den Koffer und durchsuchte den Rest des Inhalts, der nichts Besonderes mehr bereithielt. Die pistolenförmigen Aussparungen in dem Schaumstoff waren leer. Auch das Munitionsfach. Ellys musste die beiden Waffen an sich genommen haben.
    Ondragon öffnete noch drei weitere Koffer, in denen sich gut gepflegte Waffen aller Gattungen befanden: Messer, Granaten, Handfeuerwaffen und ein Präzisionsgewehr, wie auch er selbst eines immer in seinem Mustang spazierenfuhr – für alle Fälle.
    Er schloss die Koffer, legte die im Esszimmer gefundene Beretta ins Regal und verließ den geheimen Raum. Die Werkbank schwang bei Knopfdruck wieder vor die Öffnung – ein unauffälliger Wächter der Illusion.
    Nach einem wiederholten Gang durch das Haus und einem Blick auf die Uhr erklärte Ondragon die Durchsuchung für beendet. Punkt 2.20 Uhr machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Mietwagen. Als er die Zündung betätigte und auf die Straße einbog, dachte er noch einmal nach. In Tyler Ellys‘ Haus hatte er keine Spuren hinterlassen, lediglich alle Gegenstände von Bedeutung mit seinem iPhone fotografiert. Dennoch hatte er das Gefühl, dass er nicht sauber genug gearbeitet und irgendetwas übersehen hatte. Wie ein unheimlicher Schatten schwebte diese Ahnung hinter ihm auf dem Rücksitz. Aber als er sich umdrehte, war dieser leer.
    Natürlich.
    Über den Highway fuhr er zurück zum Hotel und betrat um 2.45 Uhr die Lobby. Eine Menge junger Leute feierte dort geräuschvoll und ausgelassen eine Studentenfete. Ondragon bahnte sich seinen Weg durch die alkoholisierten Twens und schlich nach oben. So blieb er zumindest unbemerkt.

    Am nächsten Morgen betrat Ondragon das Hotelrestaurant, als die Swing-Band in der Lobby gerade eine Pause einlegte. Es gab einen Brunch und das Restaurant war demensprechend voll. Gut, dass er sich einen Tisch reserviert hatte. Er nahm mit dem Rücken zur Wand und dem Gesicht zum Eingang Platz. Das war reiner Instinkt, er musste immer alles im Blick haben, besonders die Menschen, die den Raum betraten.
    Bei der Kellnerin bestellte er sich einen dreifachen Espresso und nicht, wie sonst üblich, seinen obligatorischen Porridge nach schwedischer Art, sondern ein Müsli mit Joghurt und frischen Früchten. Während er aß, sah er sich die Fotos von der Durchsuchung auf seinem iPhone an und ließ gemütlich die Zentrifuge kreisen, so nannte der den Prozess des Denkens, der sich in seinem Kopf zumeist von ganz alleine in Gang setzte. Sollte jemand ihn beobachten, würde er ihn für einen Businesstypen halten, der Geschäfte über sein Smartphone abwickelte. Niemand würde darauf kommen, dass er ein besonderer Mensch mit einem besonderen Job war.
    Ondragon, der sich der Einzigartigkeit seines Berufes bewusst war, blickte kurz auf und beobachtete die plaudernden Menschen am Nebentisch. Die frühe Wüstensonne warf scharfe Schatten in ihre Gesichter und wärmte seine rechte Körperseite. Er musste immerzu auf der Hut sein, und nur sehr selten bekam er Sehnsucht nach einem normalen Leben. Danach, so zu sein wie sie, die gewöhnlichen Menschen, und plaudernd ein Frühstück mit Freunden genießen zu können, arglos und vollkommen entspannt. Ondragon nahm einen Schluck von dem Triple-Espresso. Heute war zum Glück nicht solch ein Tag. Heute liebte er seinen Job, schließlich hatte er ihn sich selbst ausgesucht. Amüsiert verzog er die Lippen. Was hieß eigentlich ausgesucht? Er hatte ihn sich selbst

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