Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Wange. Alles, was er in der Mine zu Gesicht bekommen hatte, alles, was dort geschehen war. Eines der abscheulichsten Verbrechen, die ihm je während seiner Jobs begegnet waren. Ein Verbrechen, in das er sich einmischen wollte, aber nicht konnte, denn sein Gegner war ein multinationaler Konzern. Und sich mit einem solchen anzulegen, konnte äußert hässlich enden – für beide Seiten. Bei Auseinandersetzungen dieser Kategorie konnte es nur Verlierer geben. Es war sozusagen das Gegenteil einer Win-Win -Situation. Und es lag nicht in seiner Natur, sich auf Duelle einzulassen, bei denen hinterher beide blutend am Boden lagen. Er musste definitiv ausführlicher darüber nachdenken. Lose lose kam nicht in Frage.
Er holte sein Handy hervor und wählte eine Nummer.
„Hallo, Chef“, antwortete Charlize am anderen Ende.
„ Mission Complete! Wir sind auf dem Rückweg. Wenn alles glatt geht, sind wir morgen Mittag in New Orleans. Wie sieht es bei dir aus?“ Er musste gegen den Lärm der Motoren anbrüllen.
„Ich hab was für dich. Warte, ich les es dir vor.“
„Schick es mir lieber per Mail, mein Akku macht gleich schlapp.“
„Ok, dann mach ich jetzt wohl besser Schluss. Ich komme nach New Orleans zurück, sobald ich das Gefühl habe, hier nichts mehr zu erreichen.“
„Geht klar, Charlize, bis dann.“
„Bis dann, Chef.“
Ondragon legte auf, und wenig später bekam er die Mail. Er öffnete sie und las, eine Hand auf dem Steuer des Bootes:
Hey Chef,
es war nicht leicht, mit Dr. Brouwers Kontakt aufzunehmen, denn er war nicht mehr wohnhaft in Boise. Nach einigen Nachforschungen fand ich heraus, dass er nicht mehr lebt und deshalb aus dem Einwohnerregister verschwunden ist. Es gibt allerdings eine Witwe und zwei mittlerweile erwachsene Kinder, die nach seinem Tod nach St. Louis gezogen sind. Ich habe sie auch erreicht. Leider wollte mir Mrs. Brouwers beim ersten Gespräch nicht viel über ihren Mann und seine Forschungen erzählen. Ich hatte das Gefühl, dass sie große Angst vor etwas hat. Beim zweiten Gespräch wurde sie sogar schroff und sagte, ich solle mich raushalten und die alten Wunden nicht wieder aufreißen. Daraufhin versuchte ich es bei zwei weiteren Mitgliedern der damaligen Forschungsgruppe von Brouwers, die, oh Wunder, nach dessen Tod aufgelöst worden war. Aber auch hier lief ich gegen geschlossene Türen an. Dann habe ich mich nach der Todesursache umgetan und einen Zeitungsartikel gefunden. Du findest ihn im Anhang. Wenn du mich fragst, haben wir hier einen ersten Hinweis darauf, was mit den DeForce-Männern passiert sein könnte!
Charlize
Tragischer Unfall im Berufsverkehr
25.01.2007, Idaho Statesman
Am Dienstagabend ereignete sich gegen 17 Uhr auf der Broadway Avenue kurz vor der Auffahrt zum Interstate 84 ein schwerer Autounfall. Ein 55-jähriger, landesweit bekannter Wissenschaftler aus Boise geriet aus bisher unbekannter Ursache mit seinem Mercedes in den Gegenverkehr und kollidierte frontal mit dem Chevrolet einer 45-Jährigen. Beide Fahrer verstarben noch an der Unfallstelle. Die Polizei vermutet als Unfallursache einen Herzinfarkt des 55-Jährigen, wodurch dieser bewusstlos wurde und die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Der Sachschaden wird auf 54.000 Dollar geschätzt. Die Fahrerin des Chevrolets hinterlässt einen Mann und drei Kinder.
Ondragon schaltete sein Handy aus. Den letzten Saft wollte er sparen. Nachdenklich tippte er sich mit dem Gerät gegen die Lippen, während das Boot aus dem Golf von Jacmel glitt und er den Kurs auf West änderte.
Dass es sich bei diesem Unfall, bei dem Dr. Brouwers ums Leben gekommen war, nicht um einen Zufall handeln konnte, war sicher! Und wer hinter dem vorzeitigen Abgang des Wissenschaftlers steckte, war auch klar. Dr. Brouwers und seine Gruppe musste einem gewissen Biotech-Unternehmen aus Oregon mit ihren Forschungen zu der neuen, tödlichen Pilzinfektion wohl entschieden zu nahe gekommen sein. Und dann hatte man Maßnahmen ergriffen …
Maßnahmen wie hier in Haiti.
Maßnahmen wie in New Orleans.
Wie in Tucson.
Und Miami.
Charlize hatte recht, es gab endlich eine heiße Spur.
Tief in Gedanken versunken und mit einem Lächeln der Kategorie „Sieger“ auf den Lippen lenkte Ondragon das Boot in die nächtliche karibische See hinaus und nahm die Hände erst vom Steuer, als Rod kam und ihn ablöste.
Im Morgengrauen tauchte die Küste Jamaicas als graues gezacktes Band vor ihnen auf. Der Himmel war mit fedrigem Dunst
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