Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Jahren“, gab Diego freimütig an. Er schien kooperativ zu sein.
„Wie ist Ihr Verhältnis zu Mr. Ellys? Zweckmäßig oder freundschaftlich? Ich habe gesehen, dass Sie keinen Zaun zwischen ihren Grundstücken haben.“
„ Muy bien , Señor Ellys ist ein sehr netter Mensch. Wir haben uns gut verstanden. Auch zu den Kindern war er immer freundlich. Er hatte nie etwas dagegen, dass sie auf seiner Veranda oder in seinem Garten spielten. Er mag Xavier und Maria sehr und …“, Mr. Diego lächelte, „deshalb nennen sie ihn auch tío Tyler.“
Onkel Tyler … und das für Latino-Kinder! Was für ein Neonazi war Ellys eigentlich? „Mr. Diego, wissen Sie, was Mr. Ellys beruflich macht?“
Die Augenbrauen des pummeligen Mexikaners zogen sich kaum merklich zusammen. „Er sagte, er sei im Vertrieb einer Logistik-Firma, so etwas wie UPS oder Fed Ex, und müsse viel in der ganzen Welt herumreisen.“
Das war nahe dran.
„Manchmal bringt er den Kindern etwas mit. Er ist wirklich sehr nett, der Señor Ellys.“
„Waren Sie jemals in seinem Haus?“
„Ja, oft. Wir haben uns häufig getroffen, wenn er Zeit hatte, zum Barbecue.“
„Waren auch andere Nachbarn dabei?“
„Nein, nur die Kinder und ich. Manchmal auch ein Freund von Señor Ellys aus der Firma. Er hieß Sly oder Sylvester, glaube ich.“
„Wo ist Ihre Frau?“ Ondragon hatte bewusst diesen Verhörstil gewählt. Schnelle Fragen ergaben meist schnelle Antworten und hinderten die Befragten daran, allzu misstrauische Hintergedanken zu entwickeln.
Diego senkte betroffen den Blick. „Sie ist vor drei Jahren gestorben. Cáncer, Krebs.“
„Mein Beileid. Haben Sie irgendeine Ahnung, wohin Mr. Ellys verschwunden sein könnte? Ohne sein Auto und ohne jemandem etwas zu sagen?“
„ No . Keine Ahnung.“
„Ist Ihnen in letzter Zeit etwas Merkwürdiges an Mr. Ellys aufgefallen? Hat er sich anders verhalten? Hatte er Besuch oder Post bekommen, irgendetwas, das ihn beunruhigte? Hat er davon erzählt, dass jemand in sein Haus eingebrochen ist? Fühlte Mr. Ellys sich nicht wohl? Hatte er Streit? Denken Sie nach, Mr. Diego, jeder Hinweis kann wichtig sein.“
„Wissen Sie, Mr. Otter, mir ist ja nicht einmal aufgefallen, dass er verschwunden ist. Ich hatte gedacht, er sei nur wieder verreist. Erst als die Polizei vor meiner Tür stand, war mir klar, dass etwas nicht stimmte. Denken Sie, es ist etwas Schlimmes mit Señor Ellys passiert?“ Diego bekreuzigte sich.
„Das versuchen wir herauszufinden. Nun? Ist Ihnen etwas aufgefallen?“
Diego überlegte und knetete dabei seine volle Unterlippe. „Hm, ich weiß nicht. Zumindest war Señor Ellys in den vergangen zwei Wochen zwei Mal verreist. Wohin, weiß ich nicht, wir haben nicht groß miteinander geredet, ich musste viel arbeiten, auch am Wochenende. Heute ist mein erster freier Tag, Mr. Otter.“
„Das ist alles? Sonst nichts weiter?“
„ Perdón , ich…“
„Aber, papá , tío Tyler hat doch mit uns geschimpft! Weißt du das nicht mehr?“
Diego drehte sich auf dem Sessel zu seiner Tochter um, die unbemerkt hereingekommen war. Maria biss sich verlegen auf die Unterlippe und grinste. Sie trug wieder das blaue Kleid, aus dem ihre nackten Beine herausragten wie braune Streichhölzer. Um ihren Hals baumelten die selbstgebastelten Samenketten. Hinter ihr hatte ihr kleiner Bruder beide Hände an die Fliegengittertür gelegt und schaute zu ihnen herein.
„Ah, du hast recht, coranconcita . Komm, Maria, sag Mr. Otter guten Tag.“
„ Buenas tardes! “ Maria verneigte sich galant, was Ondragon ein Schmunzeln entlockte.
„Weshalb hat Mr. Ellys mit euch geschimpft?“, fragte er das Mädchen.
„Ach, Señor Ellys hat gedacht, meine Kinder hätten sein Auto mit Farbe beschmiert“, antwortete Diego anstelle seiner Tochter.
„Und war es so?“, hakte Ondragon an Maria gewandt nach.
„Nein, das waren wir nicht. Ehrenwort. Sinceramente! “
„Und wer war es dann? Hast du oder dein Bruder jemanden gesehen?“
Das Mädchen schüttelte schüchtern den Kopf, aber Ondragon konnte sehen, dass sie etwas beschäftige. Er setzte ein freundliches Gesicht auf und fragte: „Was wurde denn auf Mr. Ellys‘ Auto geschmiert?“
„So ein Muster. Kringel und Kreuze mit weißer Farbe. Auf die Türen.“
„Ein Muster? Könnte das auch eines von den Nachbarkindern getan haben?“
Maria zuckte mit den Schultern.
„Ist dir sonst etwas aufgefallen? Du spielst doch oft draußen, oder?“
Das Mädchen nickte.
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