Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
Vom Netzwerk:
die Tür, um die Mücken auszusperren, und machte sich daran, die letzte volle Dose zu untersuchen. Das Etikett war abgefallen, aber er fand es unter den anderen leeren Behältnissen. Es zeigte ein vergilbtes Bild der Pop-Art-Ikone Andy Warhol: Peach Halves von Del Monte. Pfirsiche im eigenen Saft!
    Haltbar bis zum 22.04.2007. Also seit fast drei Jahren abgelaufen. Egal. Da Ondragon keine Energie zum Angeln hatte, musste diese Dose seine Rettung sein. Nur wie sollte er sie aufbekommen?
    Ein weiteres Mal durchsuchte er die Hütte, fand aber keinen Dosenöffner. Er blickte auf das stumpfe Messer. Damit allein würde er den Deckel nicht aufbekommen, er brauchte etwas Schweres, um die Klinge in das Metall zu treiben. Kurzerhand schlug er einen der Stühle entzwei und verwendete eines der Beine als Hammer. Wie der erste Mensch begann er daraufhin, die Dose zu bearbeiten. Mehrmals glitt die Klinge ab und hätte ihn beinahe verletzt, dennoch versuchte er es weiter, fluchend und schwitzend, bis die Spitze des Messers endlich ein kleines Loch in den Deckel stanzte. Hastig schlug er noch einen zweiten Auslass in das Metall, hob die Dose an den Mund und trank gierig und ohne vorher zu probieren, ob der Inhalt überhaupt genießbar war. Der Saft schmeckte metallisch und höllisch süß, aber es war reine Energie! Ondragon saugte den letzten Tropfen aus dem Loch und fuhr sich zufrieden mit der Zunge über die Lippen. Das war das hors d’oeuvre gewesen, jetzt kam der Hauptgang. Er legte die Dose auf den Boden, setzte das Messer auf die Seitenwand und trieb es tief in den Bauch der Konserve. Immer wieder schlug er mit dem Stuhlbein zu, bis er das Behältnis so weit aufklappen konnte, dass er an den glitschigen Inhalt kam. Seufzend und mit bloßen Fingern verschlang er die gezuckerten Früchte und spürte das Leben in seinen ausgelaugten Körper zurückkehren. Noch nie hatte ihm Pop Art so gut geschmeckt! Wenn er jetzt noch die Campbells Tomato Soup vom selben Künstler hätte … aber leider war das Festmahl vorbei. Nun gut.
    Vorläufig gesättigt leckte er sich die klebrigen Finger ab und sah sich nach einer Ecke um, wo er sich zum Schlafen niederlassen konnte, ohne gleich von Ungeziefer aufgefressen zu werden. Die zweite Glückseligkeit des Tages erfüllte ihn, als er endlich ausgestreckt dalag mit seinem zusammengeknüllten Jackett als Kopfkissen und versonnen zu den Deckenbalken hinaufstarrte. Schon bald merkte er, wie seine Lider schwer wurden, und löschte die Lampe. In der Geborgenheit der Hütte kam der Schlaf schnell und nahm ihn mit in sein Reich aus watteweicher Betäubung.

    Am Morgen rumorte sein Verdauungstrakt gewaltig, ob nun wegen der ungewohnten Nahrung oder doch eher wegen der nicht ganz so optimalen Bekömmlichkeit, auf jeden Fall musste Ondragon sich beeilen, aus der Hütte zum Steg zu kommen.
    Nachdem die Krämpfe nachgelassen hatten, wusch er sich mit dem Wasser des Bayou und kehrte mit wackeligen Beinen in die Hütte zurück, wo er die wenigen nützlichen Dinge zusammensuchte, welche die marode Behausung zu bieten hatte. Mit Angelhaken und Schnur nähte er die untere Öffnung des verstaubten Sweatshirts zu, steckte die spärliche Ausrüstung durch den Halsausschnitt in den entstanden Sack und hängte sich die zusammengeknoteten Ärmel über die Schulter. So hatte er beim Gehen wenigstens die Hände frei.
    Mit Sonnenaufgang verließ er die Hütte und setzte seinen Weg entlang des Wasserarms fort, dabei hoffte er, ein Airboat möge endlich vorbeikommen, ihn aufnehmen und zurück in die saubere und kühle Umgebung eines Hotelzimmers bringen. Aber nichts geschah, kein Boot kam und auch keine Angler. Stattdessen stellten sich recht bald extreme Sonneneinstrahlung und noch extremerer Durst ein.
    Ondragon schleppte sich weiter. Sein linker Fuß ohne Schuh schmerzte, weil er ständig auf spitze Äste trat und mit den Zehen gegen Steine stieß. Ein offenes Alligatormaul konnte sich nicht schlimmer anfühlen! Er blinzelte durch den Schweiß, der ihm in die Augen lief, und versuchte die Wasserfläche des Bayou nicht aus dem Blick zu lassen. Wie viele Meilen würde er wohl noch laufen müssen – noch laufen können ?
    Die Hitze wurde immer unerträglicher und lastete als physisch spürbares Gewicht auf jedem Quadratzoll seines ausgezehrten Körpers. Wie ferngesteuert arbeitete er sich durch das lauwarme Sumpfwasser. Schritt für Schritt. Moskitos attackierten ihn aus der Luft und drohten, ihm den letzten Tropfen

Weitere Kostenlose Bücher