Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
dachte Ondragon und öffnete den Kofferraum mit seinem Dietrich. Charlize hielt derweil Wache.
„Hab ich es mir doch gedacht!“, stieß er wütend hervor.
„Was ist?“, fragte Charlize.
„Sie haben mein Präzisionsgewehr mitgenommen. Der Koffer, in dem ich es verstaut hatte, ist verschwunden.“ Er knallte den Kofferraumdeckel zu, ging zur Beifahrertür und öffnete sie. Kopfvoran kroch er in den Fußraum, wo er ein Geheimfach freilegte, das sich hinter der Teppichverkleidung verbarg. Mit einer Pistole in der Hand tauchte er wieder auf. Es war die Waffe von Bolič, die er aus dessen Hotelzimmer mitgenommen hatte, eine Walther P99. Etwas größer und schwerer als seine Sig Sauer, aber damit konnte er erst mal arbeiten. Lediglich ein zusätzliches Magazin mit Munition würde er sich besorgen müssen. Den Rest der Ausrüstung wollte er sich im Schutze der Nacht aus dem gut bestückten secret room im Hause Stern beschaffen.
Ondragon steckte die Pistole hinten in den Bund seiner Jeans und verbarg sie unter der Windjacke. Sein Blick fiel auf den Rücksitz, wo die Voodoo-Kerze von Madame Tombeau lag. Er fischte sie aus dem Wagen und ließ sie in der Jackentasche verschwinden. Dann schloss er die Türen und sang dabei leise: „ Uhh, uhh, lalala, I was dancing with the Queen of New Orleans , uhh, uhh, lalala, dancing cheek to cheek on Bourbon Street. “ Er drehte sich zu Charlize um. „ I was a deer in the lights of a speeding car – auf zu Madame Tombeau! In ihrem Büro können wir uns ungestört unterhalten.“
„Oh ja“, sagte seine Assistentin bedeutungsvoll, „das Büro kenne ich schon!“
„Aha. Und was hältst du von der Madame?“, wollte Ondragon wissen. Er steuerte auf den Fahrstuhl zu, der sie nach oben in die Lobby des Hotels bringen würde.
„Nun, ich habe mich mehrmals mit ihr unterhalten“, erwiderte Charlize, „und sie macht einen seriösen Eindruck. Zumindest scheint es, als nehme sie das, was sie tut, sehr ernst.“
„Den Voodoo-Quatsch“, sagte Ondragon abfällig. Sie betraten den Fahrstuhl.
„Naja, als Quatsch würde ich das nicht unbedingt bezeichnen. Es gibt Leute, die daran glauben. Und jeder hat schließlich das Recht zu glauben, was er will, oder etwa nicht? Ob nun an Voodoo, an Jesus oder an sein Smartphone. Fakt ist doch, dass die Menschen so etwas wie Religion und den Glauben an eine höhere Macht brauchen.“
Ondragon seufzte. Jetzt sprang Charlize auch noch für die Madame in die Bresche. „Hauptsache du konvertierst nicht zum Voodoo!“, entgegnete er spöttisch.
„Nein, Chef. Das werde ich nicht, keine Sorge. Aber du musst doch zugeben, dass Mari-Jeanne eine sehr faszinierende Frau ist.“
Dem konnte er nicht widersprechen. Die Fahrstuhltür öffnete sich und sie gingen durch die Lobby auf die große Ausgangstür zu.
„Aber können wir ihr auch vertrauen?“, fragte Ondragon und winkte der Rezeptionistin zu, die lächelnd zurücknickte.
„Du meinst, sie könnte etwas mit deiner Entführung zu tun haben?“ Charlize blickte nachdenklich drein. Dabei kräuselten sich ihre Brauen über ihren wunderbaren asiatischen Augen.
Ondragon ignorierte den Blick des Portiers, der ihnen die Tür aufhielt, und als sie draußen auf die Straße in das helle Sonnenlicht traten, sagte er: „Ich denke nicht, warum hätte sie sonst tagelang mein Hotelzimmer weiterzahlen und am Ende mit dir Kontakt aufnehmen sollen. Das ergäbe keinen Sinn.“
Charlize nickte. „Außerdem klang ihre Sorge um dich aufrichtig, Chef. Ich glaube nicht, dass sie da mit drinsteckt.“
Sie gingen die Bourbon Street entlang und betraten nur wenige Minuten später den Captain-Zombie-Laden. Mittlerweile kam Ondragon der muffig süßliche Geruch schon vertraut vor, genau wie das misstrauische Gesicht von Natalie, die sie nur widerwillig nach hinten zur Madame ins Büro ließ.
Mari-Jeanne Tombeau schien überrascht. Sie schaute von ihrem steril ausgestatteten Schreibtisch auf und ein erleichtertes Lächeln trat auf ihre Züge, als sie Ondragon erkannte. Sie erhob sich und kam ihnen entgegen.
„Monsieur Ondragon, wie ich sehe, sind Sie wohlauf. Das freut mich sehr. Ich hatte schon Angst um Sie. Und Charlize, mon ti chéri , kommen Sie und setzten Sie sich. Schön, Sie zu sehen.“ Sie nahm Charlize bei der Hand und führte sie zu einem der Stühle, eifersüchtig beobachtet von Ondragon, dem die Intimität der beiden Frauen suspekt war. Verdrossen ließ er sich auf den zweiten Stuhl sinken und nahm das
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