Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
angebotene Wasser von der Madame an. Er ergriff das Wort, nachdem die Priesterin, die heute ein graues Businesskostüm mit roten Schuhen trug, sich endlich gesetzt hatte.
„Madame Tombeau, vorweg möchte ich Ihnen meinen Dank aussprechen, dass Sie sich während meiner Abwesenheit um meine Belange gekümmert und meine Assistentin verständigt haben. Das hätten Sie nicht tun müssen.“ Er bemerkte, wie Charlize ihm einen tadelnden Blick zuwarf und danach entschuldigend die Madame ansah. Die beiden Frauen hatten sich also schon verschworen. Er räusperte sich. „Ich meinte, das war sehr nett von Ihnen, und ich möchte Ihnen gerne die daraus entstandenen Unkosten erstatten.“ Er zückte seine Kreditkarte.
Madame Tombeau hob ablehnend die Hand. „Ich nage nicht gerade am Hungertuch, Monsieur. Nehmen Sie meine Hilfe als Gefallen, den ich Ihnen mit Freuden getan habe. Vielleicht können Sie ihn mir ja eines Tages zurückgeben. Wenn es Ihnen jedoch nicht behagt, in meiner Schuld zu stehen, so nehme ich Ihr Geld gerne in Form einer Spende für meinen Tempel an.“ Sie sah ihm in die Augen, wirkte dabei aber keineswegs ironisch.
Ondragon merkte, dass sie ihn ziemlich gut einzuschätzen verstand. Möglich war aber auch, dass Charlize ein wenig zu viel über ihn ausgeplaudert hatte. Er setzte ein geschäftliches Lächeln der Kategorie „Ich nehme den Deal an“ auf und steckte die Kreditkarte weg. Er ahnte, dass er die Madame beleidigt hätte, wenn er darauf bestünde, seine Schuld mit Geld zu begleichen. Das wäre zu einfach gewesen. Außerdem konnte man sich von einem Gefallen nicht einfach so freikaufen. Ein Gefallen war etwas viel Gewichtigeres als profane Dollars. Es war die Art, mit der die Madame ihm gegenüber ihr Vertrauen ausgedrückt hatte. Und das hatte er zu respektieren, ob es ihm nun passte, bei einer Voodoo-Königin in der Kreide zu stehen, oder nicht. Freundlich erwiderte er ihren Blick und nickte kaum merklich. Danach setzte er die Madame über die Geschehnisse der vergangenen vier Tage ins Bild.
„Hmm, das klingt, als hätte es jemand auf Sie abgesehen, Monsieur. Aber wer könnte das sein?“
„Nun, ich denke“, setzte Ondragon zu einem Resümee an, „es waren mindestens zwei Personen, wenn nicht sogar drei. Sie haben mir das Licht ausgeknipst – wie auch Ihnen, Madame – und mich mit einem Auto oder Van aus Chalmette weggeschafft, während Sie offensichtlich nicht wichtig für die Kerle waren, denn sie haben Sie an Ort und Stelle bewusstlos liegenlassen. Die Typen haben mein Auto durchsucht, aber nicht gründlich genug, und sie haben mir nahezu sämtliche Habseligkeiten abgenommen. An einem uns unbekannten Ort haben sie mich dann eine gewisse Zeit lang festgehalten und wahrscheinlich mit Drogen vollgepumpt. Ich habe nur ganz abstruse Erinnerungen daran, ähnlich wie die Bilder eines Albtraums – was meine Drogen-Theorie untermauert. Danach haben die Kerle mich im Sumpf ausgesetzt. Dafür könnte es zwei Absichten geben. Erstens: Sie wollten, dass ich ganz langsam krepiere, was diesen Schweinehunden einen äußerst sadistischen Charakter attestiert und in meiner Branche äußerst unprofessionell ist. Zudem wäre meine Leiche niemals gefunden worden. Die zweite Absicht dieser Typen könnte es gewesen sein – und zu der Interpretation tendiere ich –, dass sie mich testen wollten! In diesem Fall hätten wir es mit einem hochprofessionellen und weit ausgekochteren Feind zu tun als nur mit einem Sadisten, denn solche Leute weisen ein gewisses Potential an Scharfsinn und Planungsgeschick auf. Außerdem – und das sage ich jetzt nicht, um euch Angst einzujagen – können wir davon ausgehen, dass wir alle in diesem Augenblick unter ihrer Beobachtung stehen. Warum?“ Ondragon hob die Schultern. „Vielleicht wollten sie wissen, mit welchem Gegner sie es zu tun haben, ohne mich gleich umzunieten. Das bringt mich zu dem Schluss, dass sie entweder Respekt haben oder beabsichtigen, eine Art Katz-und-Maus-Spiel zu spielen. Womöglich war es auch eine Warnung.“
„Eine reichlich riskante Warnung, wenn Sie mich fragen“, warf Madame Tombeau ein. „Sie hätten draufgehen oder ich einen von ihnen erkennen können. Leider habe ich außer dem Zombie, der vor uns floh, nicht viel gesehen, was uns weiterhelfen könnte. Sicher ist, dass ein Zombie nicht in der Lage gewesen wäre, so etwas selbst zu planen. Er könnte niemals auch nur einen Schritt dieses Komplotts einfädeln.“
„Und wenn es kein
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