Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
ihn entführt und in den Swamps ausgesetzt hatten, so sehr daneben?
Er wandte den Kopf. Die Madame saß in voller Reisemontur (bestehend aus der Hose und dem Kapuzenpulli von letzter Nacht) auf dem Beifahrersitz und blickte erwartungsvoll durch die Windschutzscheibe auf das Flugzeug. Rod war schon lange vor ihnen vom Hotel aufgebrochen, noch bevor er die Madame kennenlernt hatte, und in einem Taxi zum Airport gefahren.
Ondragon sah, dass er sie am Flugzeug erwartete und der Voodoo-Priesterin die Autotür öffnete, als der Mustang am Fuße der Gangway hielt.
„Madame“, sagte er galant. „Mein Name ist Roderick DeForce.“
„Mari-Jeanne Tombeau.“ Sie reichte ihm die Hand.
Aha, seinem Freund verriet sie also gleich ihren Vornamen. Interessant, dachte Ondragon beinahe eifersüchtig.
„Sehr erfreut, Madame.“ Rod deutete eine Verneigung an. Der alte Charmeur.
Nachdem der Höflichkeit Genüge getan war, trugen die drei die Taschen mit der Ausrüstung aus dem Kofferraum ins Flugzeug.
Drinnen pfiff Ondragon leise durch die Zähne, als er die luxuriöse Inneneinrichtung der Kabine sah. „Entzückende Ausstattung!“ Er prüfte die Beschaffenheit der lederbezogenen Polstersessel. „ Nice. Da werde ich während des Fluges noch ein hübsches Nickerchen machen können.“ Er brachte die Taschen in den hinteren Teil der Maschine, wo sich in einem kleinen Gepäckraum schon mehrere Kisten stapelten.
„Ich habe mir erlaubt, ein wenig Ausrüstung mitzubringen“, sagte Rod hinter ihm mit unverwechselbarem, britischem Understatement.
„Ein wenig?“ Ondragon sah seinen Freund an. „Schon klar.“ Er warf die Tasche auf den Stapel, der seine Bemühungen vom Vorabend, sich Ausrüstung zuzulegen, lächerlich erscheinen ließ. „Wir sind nur zu dritt, das weißt du, oder?“
Sein Freund hob entschuldigend die Schultern und schaute sich um zu der Madame, die es sich in der Kabine bereits in einem der Sessel bequem gemacht hatte. Obwohl sie sie nicht hören konnte, sprach Rod mit gesenkter Stimme weiter: „Ich dachte sogar, wir wären nur zu zweit. Dass diese charmante Dame mitfliegt, konnte ich ja nicht ahnen, dann hätte ich noch mehr eingepackt, aber du hast ja auch noch etwas mitgebracht.“
Ondragon stieß Rod freundschaftlich den Ellenbogen in die Rippen, und beide kicherten daraufhin wie zwei Zehnjährige, die zu viel Brausepulver intus hatten, rissen sich aber sofort wieder zusammen und kehrten in die Kabine zurück. Dort bot Rod der Madame Getränke an, während Ondragon noch einmal die Maschine verließ, um sein Auto zum Hangar zu fahren.
Als er wenig später die Kabine der Gulfstream betrat, war Rod vorne bei den Piloten und gab letzte Anweisungen. Ondragon ließ sich gegenüber der Madame in der Vierergruppe von Sesseln nieder, zwischen denen man einen Tisch ausklappen konnte. Prüfend sah er die Voodoo-Priesterin an, die gelassen durch die Gläser ihrer Brille zurückblickte. Sie wirkte keineswegs nervös, was ihn wunderte, denn sie brachen ja nicht zu einem lässigen Karibikurlaub auf. Er fragte sich, was sie wohl gerade dachte, kam aber zu keinem Schluss. Diese Frau und ihr Verhalten waren nicht leicht zu interpretieren. Ihre Fassade war perfekt, das musste er ihr schon lassen. Doch was sie dahinter verbarg, war ihm noch immer ein Rätsel.
„So, wir starten in wenigen Minuten“, sagte Rod und setzte sich neben Ondragon. „Wir haben einen günstigen Slot bekommen, obwohl wir so kurzfristig nachgefragt haben. Ich war auch so frei – und ich hoffe, du verzeihst mir meine Voreiligkeit, Ecks – und habe schon unserem Kontakt vor Ort die voraussichtliche Ankunftszeit mitgeteilt.“
„Das klingt gut.“ Ondragon spürte, wie die Maschine sich in Bewegung setzte, zur Startbahn rollte und kurz darauf abhob. Immer kleiner wurde die Landschaft unter ihnen, auf deren sumpfigen Flächen sich das silberne Licht der Sonne widerspiegelte.
Nachdem das Flugzeug Kurs auf den Golf von Mexiko genommen und seine Reisehöhe erreicht hatte, fischte Ondragon eine Umhängetasche unter dem Sitz hervor, klappte den Tisch herunter und begann das Briefing damit, dass er einen nagelneuen Laptop hochfuhr und seinen beiden Crewmitgliedern eine topografische Karte von der Insel Hispaniola zeigte, auf der sich die beiden Staaten Haiti und die Dominikanische Republik eine Grenze teilten, die längs durch das Land verlief. Er zoomte Haiti heran und deutete auf einen Punkt an der südlichen Küste.
„Das hier ist Jacmel,
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