Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
eine kleine Hafenstadt. Und hier“, sein Finger fuhr einen winzigen Deut nach Westen, „ist das Dorf Nan Margot. Unser Einsatzort liegt in den Bergen nördlich davon in 2600 Fuß Höhe und soll in einer alten Mine versteckt sein. Soweit die Koordinaten. Rod wird uns gleich noch einen Satelliten anzapfen und uns ein genaues Bild von dem Gelände rund um das Dorf und die Mine geben. Aber zuerst möchte ich euch den schedule mitteilen. Wenn alles planmäßig verläuft, werden wir kurz vor vier Uhr Ortszeit auf dem Flugplatz in Jamaika landen, der sich direkt an der Küste befindet. Wir landen deshalb in Jamaika, weil zurzeit sämtliche Flughäfen in Haiti vom amerikanischen Militär kontrolliert werden. Ein Jeep wird uns zum Strand bringen, wo das Speedboat bereitsteht, das auch die Männer der MSC für den Haiti-Einsatz benutzt haben. Für die 269 Seemeilen habe ich bei einer Geschwindigkeit von 25 Knoten elf Stunden Überfahrt errechnet. Die Wettervorhersage für die nächsten drei Tage verspricht kaum Regen und ruhige See. Wir werden also voraussichtlich gut vorankommen und in den frühen Morgenstunden vor der Küste Haitis eintreffen. Bei Tagesanbruch werden wir an dieser kleinen Landzunge hier in einer der unbewohnten Buchten anlanden und mitsamt unserer Ausrüstung, die so leicht sein wird, dass wir sie tragen können, an Land gehen.“ Er deutete auf einen Felseinschnitt, der in westlicher Richtung vom Strand wegführte. „Durch dieses schmale Flusstal werden wir zirka vier Meilen landeinwärts wandern und uns dann zwei Meilen direkt nach Norden querfeldein den Hang hinauf bis zu dem Dorf und der Bergstraße, der Route 208, durchschlagen. Im Dorf werden wir schnellstmöglich einige Auskünfte einholen und dann weiter nach Norden in die Berge hinauf bis über den Grat steigen, hinter dem sich das Gelände der Darwin-Einrichtung befindet. Dort werden wir ein kleines Basiscamp aufschlagen und unsere Erkundungen durchführen, für die ich ein bis maximal zwei Tage eingeplant habe, je nachdem, ob es uns gelingt, in das Labor vorzudringen, denn bekanntlich wurde der Eingang zum Schacht gesprengt. Danach geht es auf der Route des MSC-Einsatzteams zurück zur Küste, für den Fall, dass wir etwas entdecken, das uns darauf bringt, was mit den Mailmen passiert sein könnte.“ Er machte eine kleine Pause, in der er eine Textdatei aufrief.
„Kommen wir zur aktuellen Lage im Land, die, wie wir wissen, sehr angespannt ist und das nicht nur in der Hauptstadt Port-au-Prince. Das Beben mit der Stärke 7.0 auf der Richterskala ist genau einen Monat her und hat schwere Schäden im gesamten Süden angerichtet. Noch immer werden Opfer vermisst. Schätzungsweise 300.000 Menschen wurden getötet und noch einmal so viele verletzt, und über 1,5 Millionen sind obdachlos. Es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände und Seuchengefahr, weil Krankenhäuser und Leichenhallen aus allen Nähten platzen. Plünderungen und Gewalt sind an der Tagesordnung, da Lebensmittel und Wasser knapp sind – reiner Zündstoff also für einen Aufstand. Zwar findet unser Einsatz in den Bergen statt, aber hier ist es nicht weniger gefährlich. Ich möchte daher, dass euch bewusst ist, in welche Höhle des Löwen wir uns begeben. Seid also ständig auf der Hut und zögert nicht, von euren Waffen Gebrauch zu machen.“ Er sah die Madame scharf an. Sie hielt seinem Blick stand und nickte kaum merklich. „Wenn wir in dem Dorf erklären, wer wir sind und was wir wollen, werden wir einiges an Aufsehen erregen. Dabei gilt es, absolute Ruhe zu bewahren“, sprach er weiter. „Unsere Tarnung muss nicht perfekt sein, aber überzeugend. Wie schon erwähnt, werden wir als Soldaten der UN-Blauhelmtruppe auftreten, die den Auftrag haben, die Forschungseinrichtung in den Bergen nach gefährlichen Stoffen abzusuchen, die eventuell durch das Beben freigesetzt wurden. Und …“
„Werde ich auch ein Blauhelm sein?“, fragte die Madame.
„Jawohl.“ Ondragon blickte sie streng an, weil sie ihn unterbrochen hatte.
„Aber, als Frau und Haitianerin falle ich doch auf, oder? Wären da Ärzte nicht eine bessere Tarnung? “
„Ich glaube kaum. Stellen Sie sich mal vor, wir kommen in das Dorf und man verlangt von uns, die Verletzten zu behandeln.“
„Ich könnte das tun. Ich weiß, wie man Wunden und Krankheiten auf traditionellem Wege kuriert.“
„Das ist schön, würde uns aber zu viel Zeit kosten.“
Die Madame schürzte die Lippen. „Ich gebe zu bedenken,
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