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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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endlich auflegen. Die Munition hatte Emilia bestimmt in der Küche versteckt. Hau schon ab, du blödes Vieh!
    »Auf jeden Fall schick ich dir nachher die Links, die ich zu dem Spiel gefunden habe. Egal, was du davon hältst. Ich würde mich freuen, wenn du mir dazu deine Meinung sagen könntest. Vielleicht täusche ich mich ja auch. Aber wenn ich recht habe mit meiner Vermutung, dann solltest du dir ernsthafte Gedanken machen, ob du diesen Leuten nicht mit deinem Wissen zur Seite stehen willst.«
    »Was soll ich?« Vincent knickte den Lauf ab. Keine Patronen! Großartig! Also zuerst in die Küche.
    »Du hast mich sehr genau verstanden. Du sollst Verantwortung übernehmen. Wenn man die Wahrheit kennt, sollte man nicht davor weglaufen. Nicht jeder bekommt eine zweite Chance, sein Leben zu überdenken.«

Drei
    Hongkong | 23 Grad | Bewölkt
    Kayan ärgerte sich maßlos. Er fluchte in allen ihm bekannten Sprachen. Sein Boot durchschnitt das aufgewühlte Wasser. Die Bugwellen einer Fähre schoben sich unter den Rumpf, hoben ihn an und ließen ihn in ein Wellental klatschen. Der starke Westwind blies ihm die Gischt ins Gesicht. Salz brannte in seinen Augen, doch der Schmerz tat gut. Was war nur mit ihm los gewesen? Wieso hatte er gezögert? Seit zwanzig Jahren machte er diesen Job. Seit zwanzig Jahren löschte er Menschenleben aus und ließ sich dafür fürstlich bezahlen. Woher kamen diese plötzlichen Gefühle? Mitleid! Beinahe hatte er die Sache versaut. Er hatte dem hageren Mann Zeit gelassen, zu reagieren. Die Augen voller Angst. Das Wissen vom bevorstehenden Ende und schließlich der Selbsterhaltungstrieb nach Sekunden der Schockstarre. Wieso das Zögern? Zwei miserable Schüsse auf ein bewegliches Ziel, dann der Stich mit dem Messer zwischen die Rippen, nachdem die Pistole versagt hatte. Ein letztes Aufbäumen – endlich die Erlösung. Wie bei einem angeschossenen Reh. Nie würde er die gebrochenen Augen vergessen. Jetzt spiegelten sie sich auf den tanzenden Wellen, umspielt von den zuckenden Lichtern der Skyline.
    Kayan verlor die Beherrschung, zog das Messer aus seiner Jacke und schleuderte es ins Meer. Damit zu töten, war grauenvoll gewesen. Unwürdig. Er war ein Scheusal, eine Bestie. Nicht besser als seine schlecht bezahlten Kollegen. »SCHEISSE!«, brüllte er in den Lärm eines vorbeiziehenden Tankers, nahm die Pistole und warf sie hinterher. Sie hatte ihn im Stich gelassen, nach all den Jahren. Vielleicht sollte er aufhören. Aber sein Auftrag umfasste sechs Personen. Nur wenn sie alle tot waren, würde er die Prämie einstreichen und damit sein Honorar verdoppeln. Sein Ticket in die Freiheit. Er musste diesen Job durchziehen. Nicht nur wegen des Geldes, auch weil das Ende seiner Laufbahn ein sauberer Schnitt sein sollte. Wie der Trainer einer erfolgreichen Fußballmannschaft wollte er auf dem Höhepunkt seines Schaffens von der Bildfläche abtreten, und zwar nicht mit dem Gefühl, versagt zu haben.

    Kata kicherte. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, als sie die Diele betraten. Samuel versuchte sie zu stützen, aber auch ihm setzte der Alkohol zu. Er hielt sich den Finger an die Lippen und musste selbst lachen. »Psst.« Auch das Haus würde er nicht vermissen. Was hatte sich der Architekt bloß dabei gedacht, so einen Bunker zu entwerfen? Er erinnerte sich an den aufgebrachten Feng-Shui-Meister, der beim Anblick des kubistischen Baus beinahe einen Nervenzusammenbruch bekommen hatte.
    Die Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters war angelehnt. Das bisschen Licht, das nach außen strömte, schaffte es kaum, den Holzboden und die Treppe zu erhellen. Auf keinen Fall wollte er seinem Vater in diesem Zustand begegnen. Besoffen, unzurechnungsfähig und vielleicht zu ehrlich, wenn es erneut zum Streit kam.
    »Wieso machst du das Licht nicht an?«, fragte Kata mit schwerer Zunge. Sie krallte sich an ihm fest. Obwohl sie kaum mehr als fünfzig Kilo bei einem Meter siebzig auf die Waage brachte, hatte Samuel große Mühe, sie festzuhalten.
    »Kata, bitte«, sagte er. »Kannst du dich noch mal kurz zusammenreißen?« Er dirigierte sie zum Treppenabsatz. Er fing an zu schwitzen. Kalter Schweiß. Wenigstens war ihm nicht mehr schlecht.
    »Was hast du vor, mein böser Junge?«, hauchte Kata mit flackernden Augen und drehte an ihrem silbernen Ring. »Ich werde nicht mit dir schlafen, das weißt du.«
    »Ja, ja.«
    Sie rieb sich an ihm wie eine Katze. Wie von Geisterhand wurde die Tür zum Arbeitszimmer

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