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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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erlauben. Wenn er etwas nicht wollte, dann einen Neubeginn mit der ständigen Angst im Nacken, erwischt zu werden.
    Er schrieb eine Nachricht an seinen Auftraggeber. Sie rauschte zweimal um den Erdball, wurde verschlüsselt und wieder zusammengebaut, bis kein Fremder sie lesen, geschweige denn nachverfolgen konnte. Dann zog er die SIM-Karte wieder aus dem Slot, öffnete die Schale, die er auf das Nachttischchen neben das Bett gestellt hatte, und schaute zu, wie die Säure das Plastik auffraß und die Leiterbahnen so verätzte, dass nichts mehr darauf zu erkennen war. Anschließend schüttete er die Brühe in die Kloschüssel, pinkelte drauf und spülte alles hinunter. Zur Entspannung wollte er sich einen Besuch im Wellnessbereich des Hotels gönnen, doch an der gläsernen Eingangstür hing ein Schild: Sauna außer Betrieb . Also stellte er sich unter die Dusche und rasierte sich. Kaum abgetrocknet, klingelte sein Privathandy. Er blickte auf das Display, das Bild seiner Tochter wurde angezeigt. Sie hatte dieselbe Mundpartie wie seine Frau. Von ihm hatte sie die dunklen Augen und den offenen Blick bekommen. Er ging dran. »Hallo, meine Kleine«, säuselte er und legte sich aufs Bett. Die hohe Stimme wirkte wie ein Beruhigungsmittel. Er fühlte sich geborgen. Er war glücklich darüber, seinen Kindern all das bieten zu können, was in seiner Kindheit gefehlt hatte. Ein liebevolles Zuhause, ein Vater, der vor dem Schlafengehen Geschichten vorlas. Eltern, denen man sich anvertrauen konnte. Nicht das Knattern von Maschinenpistolen. Keine Nächte in einem stickigen Kellerloch. Kein Hunger, keine Projektile, die sich in unschuldige Herzen bohrten und Leben auslöschten.
    »Wann kommst du wieder nach Hause?«, fragte Amélie.
    »Noch viermal schlafen.« Er dachte daran, was er in dieser Zeit noch alles erledigen musste. Mit Sicherheit waren es keine Unschuldigen, auf die man ihn angesetzt hatte. Der große Reichtum dieser Leute war ein Indiz dafür, dass er es nicht mit unbescholtenen Bürgern zu tun hatte. Wenn er eine Lektion in seinem Leben gelernt hatte, dann die, dass es nur in äußerst seltenen Fällen möglich war, Reichtum anzuhäufen, ohne dafür selbst zu töten. Auf welche Weise auch immer. Der Kriegsschauplatz dieser Menschen war ein aufgeräumter Schreibtisch in einem gläsernen Bürokomplex. Das, was er über die Leute auf seiner Liste herausgefunden hatte, genügte, um sein Mitleid in den nötigen Grenzen zu halten, die sein Beruf erforderte.
    Er drückte auf die Fernbedienung und schaltete zu CNN um. Ein Reporter stand gut ausgeleuchtet vor der Londoner Börse und berichtete darüber, dass der Handel ausgesetzt wurde, weil es nach Stromausfällen zu Programmfehlern gekommen sei und einige Aktien dadurch um mehr als zwanzig Prozent in den Keller gerauscht waren. Vor allem Lebensmittelkonzerne seien von dem Kurssturz betroffen gewesen. Kayan war erleichtert, als er auf der Liste der geschädigten Unternehmen keinen Namen fand, dem er sein Geld anvertraut hatte. Seine Strategie war ohnehin nicht auf kurzfristige Gewinne angelegt. Bisher war er gut damit gefahren, sein Vermögen in Traditionsmarken zu investieren und sich nicht auf kurzfristige Hypes einzulassen. Er stand auf und stellte das Fenster auf Kipp. Sirenen waren zu hören und weiter entfernt auch Lautsprecherdurchsagen, die von vereinzeltem Grölen unterbrochen wurden. Vielleicht fand irgendwo ein Fußballspiel statt. So hell erleuchtet wie die Stadt Richtung Osten aussah, gab es dort bestimmt ein Stadion.

    Samuel deponierte seinen Koffer hinter einem der Müllcontainer, bevor er sich in die Innenstadt aufmachte. Der Rucksack und Badawis Transportbox waren schon schwer genug und er wusste ja nicht, wie weit es bis zum nächsten Hotel war. Google Maps spielte verrückt. Ständig verschob sich die Kartenansicht. Vielleicht lag es an den Hochhäusern. Nach dem Besuch morgen bei der Polizei würde er den Koffer abholen. Wahrscheinlich müsste er die Beamten ohnehin zum Tatort begleiten, ihnen den Hergang erklären und was er sonst noch gesehen hatte. Er ging bis zum Ende der Straße und bog dann nach rechts ab. Es waren kaum Autos unterwegs. Neben einem Haus standen mehrere vergitterte Mannschaftswagen der Polizei. Das Heulen von Sirenen kam näher. Lautsprecherdurchsagen wurden von lautem Gegröle und Böllerschüssen übertönt. Vielleicht wäre es eine bessere Idee gewesen, stadtauswärts zu laufen, aber die Wahrscheinlichkeit, dort auf ein Hotel zu

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