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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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Auch Fabienne konnte sie hören. Sie starrte ihn an und weitete die Augen. Dann schüttelte sie den Kopf wie in Zeitlupe.
    Samuel legte auf.

Zwölf
    Berlin | 22 Grad | Nieselregen
    Kayan betrachtete die Messer in den Regalen. Der Anblick war ihm zuwider. Die Küchenabteilung eines gesichtslosen Kaufhauses, dahin hatte ihn die defekte Pistole geführt. Er hätte sie damals gleich austauschen sollen, als er diesen Widerstand am Abzug gespürt hatte. Nur aus Bequemlichkeit hatte er sein Bauchgefühl ignoriert und bekam dafür nun die Quittung.
    Er sah wieder den fetten Leib vor sich. Kayan hatte sich wie eine Bestie gefühlt, als er dem Mann die Klinge zwischen die Rippen gerammt hatte. Im falschen Winkel, weshalb sie den Knochen erwischt hatte und abgebrochen war. Das nächste Messer musste stabiler sein, so stabil, dass es problemlos einen Knochen durchschlug. Das hier war die Arbeit eines Metzgers gewesen, nicht die eines Berufskillers, der sich seinen Ruf auf Zuverlässigkeit und Menschlichkeit aufgebaut hatte. Ja, Menschlichkeit. Das präzise Töten, ohne Vorwarnung, ohne die Macht auszukosten, an der sich geisteskranke Serienkiller aufgeilten. Das war seine Spezialität. Und ausgerechnet bei seinem letzten Auftrag musste er sich wie ein Amateur verhalten. Schlimmer, als mit einem Messer zu töten, war nur noch das Töten mit bloßen Händen. Vielleicht sollte er sich doch eine neue Pistole besorgen. Aber das hier war nicht Amerika, das hier war das geordnete Deutschland, in dem man für alles einen Schein benötigte. Und über andere Kanäle könnte man ihn zu schnell aufspüren. Zu unprofessionell. Den meisten illegalen Waffenhändlern war nicht zu trauen. Ja, für alles brauchte man irgendeine Genehmigung. Nicht einmal die Zeugnisse seiner Frau hatte man anerkannt, obwohl sie in Argentinien eine sehr gute Krankenschwester gewesen war und die Sprache ihrer neuen Heimat innerhalb weniger Monate beherrscht hatte. Anstatt ihr eine Chance zu geben, hatte man sie immer nur abgewiesen. Zu ihr war dieses Land nicht freundlich gewesen.
    Kayan musste also seinen bestialischen Feldzug fortführen und auch die letzten beiden mit einem Messer töten. Nie hätte er gedacht, dass kurz vor dem Ende seiner Laufbahn so etwas passieren würde. Es war wie eine letzte Prüfung, bevor er sich von diesem Teil seines Lebens verabschieden konnte. Gott – und davon war Kayan jetzt fest überzeugt –? wollte ihm einen Stein in den Weg legen. Doch dieser Gott sollte bei seinem Urteil berücksichtigen, was er als Kind alles durchgemacht hatte. Unzählige Albträume, Bilder, die kein Kind vergessen konnte, hatten sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Die Junta hatte ihn gelehrt, dass man zwei Seiten haben musste, um zu überleben. Die eine, die hinschaut, und die andere, die schnell wieder vergisst.
    Eine Verkäuferin bat ihn, kurz zu warten. Sie musste noch eine Kundin wegen eines Espresso-Automaten beraten. Glänzende Maschinen reihten sich auf einem Holzregal aneinander wie Trophäen. Von günstig bis exklusiv. Nie hätte er gedacht, dass er einmal zu den Menschen gehören würde, für die Preisschilder keine Bedeutung haben. Wie oft hatten sie während der Militärdiktatur nichts zu essen gehabt? Wie oft musste seine Mutter losziehen, um von irgendwoher etwas Brot aufzutreiben, weil man seine beiden älteren Brüder entführt hatte und sein Vater krank vor Angst im Bett lag? Und jetzt stand er vor überfüllten Regalen. Was für ein merkwürdiges Leben.
    Kayan redete nie viel. Er schämte sich dafür, die Sprache seiner neuen Heimat nicht akzentfrei zu beherrschen. Sein »R« rollte immer noch verräterisch, obwohl er schon etliche Stunden bei einer Logopädin verbracht hatte.
    »Es soll ein Geschenk sein«, sagte er und ärgerte sich im nächsten Moment über diesen schwachsinnigen Satz. Die Verkäuferin musterte ihn. Sie schien abzuschätzen, was er sich leisten konnte. Kayan trug einen maßgefertigten Anzug, den er für unglaubliche viertausend Pfund in der Savile Row in London erstanden hatte. Der Name des Schneiders fiel ihm nicht mehr ein. An den Auftrag, der ihn in die hektische Stadt geführt hatte, konnte er sich jedoch gut erinnern. Manchmal war das Töten auch ein Vergnügen. Es ging um einen unsympathischen jungen Typen, der mit Erpressung sein Glück versuchte. Eine niederträchtige Art, um an Geld zu kommen. Leider war er aus Gier oder Übermut oder beidem an die falschen Leute geraten.
    Die Verkäuferin schien den

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