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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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würde vor Schreck in Ohnmacht fallen.
    »Wieso lächelst du?«, fragte Fabienne verwundert. Samuel griff mit Daumen und Zeigefinger nach dem Zahn und wackelte daran. »Ist nicht wahr!« Fabienne wirkte ehrlich schockiert. »Das wird richtig teuer. Zähne sind teurer als Gold.«
    Mit der Schulter stieß sie die Metalltür auf. Draußen war es still. Kaum vorstellbar, dass hier vor wenigen Minuten noch Chaos geherrscht hatte. Bis auf ihren Wagen war die Tankstelle leer. Die Stille wurde von fernem Sirenengeheul durchbrochen, das sich unrhythmisch mit dem Plätschern dicker Regentropfen vermischte, die auf ein Wellblechdach trafen, unter dem ausgemusterte Reifen und ein altes Motorrad standen. Die elektrische Glastür zuckte zurück, als sie am Verkaufsraum vorbeikamen. Die Stimme eines Nachrichtensprechers empfing sie, der von Stromausfällen, Lieferengpässen und Hackerangriffen berichtete. Der Tankwart trat bewaffnet mit einem Besen nach draußen und machte sich daran, den Müll und die Scherben zur Seite zu kehren. Er schenkte ihnen keine Beachtung. Auch nicht, als Fabienne auf den Fahrersitz stieg und die gesplitterte Frontscheibe mit den Füßen aus dem Rahmen drückte.
    »Einsteigen«, sagte sie zu Samuel, der das gefaltete Toilettenpapier noch immer auf die Platzwunde drückte. Er lehnte sich gegen den Wagen und genoss den aufsteigenden Schwindel, der seine Wahrnehmung dämpfte und den Schmerz auf einem erträglichen Level hielt. Fabienne musste ihm dabei helfen, auf den Beifahrersitz zu steigen. »Vermutlich hast du dir auch die Hüfte geprellt«, stellte sie fest und schloss den Sicherheitsgurt um seinen Körper.
    Noch immer war der Himmel dunkelgrau und die Welt wirkte, als hätte man sie ihrer Farben beraubt. Ein fahles Licht wie kurz vor Einbruch der Dunkelheit, obwohl es erst kurz nach acht war. Sie tuckerten langsam über die Landstraße. Dennoch peitschten ihnen Regentropfen ins Gesicht, als wären es kleine Geschosse. Der Wagen blieb mit einem Rumpeln stehen. Jetzt war der Tank endgültig leer.
    »Großartig«, sagte Fabienne. »Ich ruf in der Zentrale an. Vielleicht kann uns jemand abholen.« Sie stieg aus dem Wagen. Samuel konnte sich die Reaktion ihres Freundes vorstellen. Wahrscheinlich musste sie sich hundertmal entschuldigen, vor dem Losfahren nicht auf die Tankanzeige geschaut zu haben. So waren diese Leute, die sich für die Größten hielten. Sie liebten es, wenn man vor ihnen zu Kreuze kroch.
    Das Pochen war in Samuels Kopf zurückgekehrt. Sein ganzes Leben war gewaltfrei verlaufen und jetzt bekam er gleich zweimal hintereinander eins auf die Mütze. Wenigstens hatte die Wunde zu bluten aufgehört. Im Spiegel der verwaisten Sonnenblende betrachtete er den Längsschnitt auf der Stirn und das verkrustete Blut. Für einen Moment machte ihn dieser Anblick stark. Er hatte sich geprügelt. Das erste Mal in seinem Leben. Na gut, er hatte nur einen Gegentreffer gelandet, aber der Typ war auch mindestens doppelt so breit gewesen wie er.
    Fabienne riss die Tür auf. »Sie können uns nicht abholen«, sagte sie. »Aber ganz in der Nähe gibt es einen Außenposten. Dort haben wir Motorräder. Und Nadel und Faden. Wegen der Demos sind die Krankenhäuser sowieso überfüllt. Bist du gut zu Fuß?«
    »Ja.«
    »Sind zehn Kilometer. Wir können zwischendurch ja irgendwo eine Pause machen und was essen.«
    »Du willst jetzt aber nicht behaupten, dass ihr von den Lieferengpässen gewusst habt«, sagte Samuel verblüfft, als er Badawi aus dem Auto lud.
    »Wir haben nur nicht damit gerechnet, dass die Ölmultis so schnell kalte Füße bekommen, wenn wir uns ein bisschen in die Preisgestaltung einmischen.« Fabienne nahm ihm grinsend den Rucksack ab. »Du hältst uns immer noch für Spinner, nicht wahr?«
    »Nicht direkt. Ich glaub nur nicht, dass es so leicht geht, der Welt ans Bein zu pinkeln, ohne dabei erwischt zu werden.«
    »Leicht geht es nicht«, sagte sie ernst. »Aber glaub mir, in ein paar Tagen wird hier nichts mehr sein wie vorher. In ein paar Tagen werden die Karten neu gemischt.«

Sechzehn
    Berlin | 22 Grad | Nieselregen
    Kayan ließ den Immobilienmakler ausreden, obwohl der sich gerade in einen ausufernden Monolog über den Vorzug einer Luxusimmobilie verstrickt hatte. Er hielt das Handy ein Stück vom Ohr weg. Warum musste dieser Typ immer so laut reden und so schnell?
    »Sie werden verstehen, dass ich Ihnen dieses außergewöhnliche Objekt nicht länger reservieren kann. Auch wenn Sie ein guter

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