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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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kriegen.«
    »Damit wir keinen Ärger kriegen.« Samuel wischte sich demonstrativ den Mund ab. »Ich mag dein Spiel nicht.«
    »Du kannst jetzt nicht aussteigen.«
    »Und jetzt?«, erwiderte Samuel kühl. »Was ist der Plan? Du weißt doch immer alles.«
    »Wir …« Sie stockte und schaute ihm in die Augen, als hätte sie den Faden verloren. Sie schluckte hohl. »Wir brauchen ein Auto oder so. Das Motorrad haben sie bestimmt schon gefunden. Sobald wir wissen, wo sich dein Vater aufhält, muss es schnell gehen. Keine Ahnung, wie gut der oder die Killer mit Ortungstechnik ausgestattet sind.«
    »Und woher sollen wir jetzt ein Auto kriegen? Kannst du zaubern?«
    »Carsharing.«

Zwei
    Wald | 22 Grad | Sonnenschein
    Der Wagen schraubte sich gemütlich die Serpentinen hinauf in die Berge. Kayan hatte einen Sender gefunden, auf dem fröhliche, handgemachte Musik lief, die ihre Wurzeln mit Sicherheit in Lateinamerika hatte. Rhythmus, Stimme und Gitarren, was brauchte man mehr, um glücklich zu sein? Am liebsten wäre er ausgestiegen und hätte getanzt. Auf der Straße. Zwischen Felsen auf der einen Seite und Tannen auf der anderen. Ohne Grund. Für den deutschen Teil seiner Seele gab es selten einen Grund zu tanzen. Der argentinische Teil jedoch scherte sich nicht darum, ob man seine Rechnungen bezahlt hatte oder mit einem Bein im Gefängnis stand. Ihm ging es nur um den Moment. Nur um das Jetzt und Hier und die Musik.
    Aber natürlich behielt der deutsche Teil seiner Seele die Oberhand und er hielt nicht an. Er hatte einen Auftrag. Er ließ die Seitenscheibe hinunter und inhalierte die klare Bergluft. Kayan fühlte sich unbeschwert, auch ohne zu tanzen. Entgegen seiner Gewohnheit steckte er sich beim Fahren ein Zigarillo an. Er sog den Rauch tief hinunter in die Lunge, mit der Gelassenheit eines Mannes, der mit sich und der Welt im Reinen war. Dann warf er einen Seitenblick auf den Beifahrersitz. Dort lag ein kleiner Alukoffer, ein billiges Modell mit genieteten Verschlüssen, die sich gleich beim ersten Öffnen verzogen hatten. Vermutlich stammte der Koffer aus irgendeinem Baumarkt. Jedenfalls roch der Inhalt nach billigem Schaumstoff und nicht nach dem geölten Metall der Waffe. Aber wen kümmerte das? Er würde die Pistole nur ein einziges Mal benutzen, zwei Leute damit erschießen und sie dann entweder im See oder in der Limmat versenken. Das passte gut. Er hatte mal gelesen, dass dort auch Urnen versenkt wurden. Nicht von offizieller Seite natürlich, sondern weil Angehörige die sterblichen Überreste lieber am Grunde eines Sees haben wollten als auf irgendeinem Friedhof. Kayan wollte nicht eingeäschert werden. Er wollte in einem Sarg unter der Erde liegen. Warum auch immer. Beiläufig strich er mit den Fingern über den Koffer. Für den Preis hätte er etwas mehr Stil erwartet. Aber das hier war ja auch kein Geschenk, sondern seine neue, nicht registrierte Pistole. Sein Kontakt hatte auch noch eine Makarow im Angebot gehabt. Aber die verursachte oft Querschläger und hässliche Eintrittswunden und das brauchte nun wirklich keiner. Er verringerte die Geschwindigkeit und führte das Lenkrad der engen Kurve nach. Die Sonne blitzte zwischen den Bäumen hervor. Was für ein herrlicher Tag …
    Unvermittelt schlug er gegen das Lenkrad. Wo war seine Professionalität geblieben? Wollte er die Waffe wirklich nicht ein einziges Mal testen, bevor er damit seinen Job erledigte? Diese Pistole war sein neues Arbeitsgerät, zu dem er keine Beziehung hatte – noch nicht und wahrscheinlich niemals. Wie der Musiker sein Instrument, wie der Tennisspieler seinen Schläger oder der Fotograf seine Kamera, so hatte er im Laufe der Jahre eine Beziehung zu seiner Waffe aufgebaut. Jedes Mal, sobald er sie in der Hand hielt (er schoss mit einer Hand und nicht wie ein Polizist mit beiden, das hatte ihm sein großer Bruder so beigebracht), wurde sie zur Verlängerung seines Arms und dieser Arm, den er noch heute mit Hanteln trainierte, blieb hart und unbeweglich wie ein Stück Stahl. Als würde sein Gehirn auf Zeitlupe schalten, dehnten sich die Sekunden vor dem Schuss und er wurde eins mit seiner Waffe. Er registrierte jede Bewegung, jedes Zucken, jedes Blinzeln seines Ziels und passte seine Position der neuen Situation an. Er war wie ein Roboter, der sein Ziel markierte, mit der Präzision einer Maschine verfolgte und im Bruchteil einer Sekunde Leben beendete.
    Innerhalb weniger Minuten war seine gute Stimmung verflogen. Er warf den

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