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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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willst das nicht hören. Aber was sagt dein Herz?«
    »Gar nichts«, gebe ich bockig von mir.
    »Ist es dir peinlich?«, will sie wissen. »Jeder Mensch hat Gefühle, das ist nichts, wofür man sich schämen müsste.«
    »Aber …«, sage ich und habe dann doch keine Ahnung, was ich erwidern soll, ohne wie ein Psycho zu klingen.
    »Willst du meine ehrliche Meinung hören?«
    »Ja.«
    »Bleib noch eine Weile für dich, Lilly. Sag nicht Ja oder Nein, sag einfach gar nichts. Diese beiden jungen Männer werden warten, wenn ihre Gefühle mehr als nur die Oberfläche kratzen. Sie werden es akzeptieren, denn wer möchte nur halbherzig gewollt werden?«
    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das für meine Generation im Zeitalter unzähliger Fan-, Kontakt- und Chatbörsen immer noch so gilt, trotzdem nicke ich brav.
    »Wenn sie dich wirklich mögen, geben sie dir die Zeit, die du brauchst.«
    »Danke, Oma.«
    »Es ist vielleicht keine perfekte Lösung, aber wenn du dich dadurch besser fühlst, soll es mir schon reichen.«
    »Danke dir.«
    »Ach, Moment, da fällt mir etwas ein!« Oma springt hektisch von der Couch auf und verschwindet aus dem Wohnzimmer. Ich höre sie im Schlafzimmer herumwühlen, dann ist sie wieder da und hält mir etwas Glänzendes hin.
    »Hier, das ist die Kette, die ich als junges Mädchen getragen habe. Sie ist nicht wertvoll oder besonders schön, aber ich habe sie in einer Zeit getragen, in der auch ich einige Entscheidungen zu treffen hatte. Und viele davon waren nicht so falsch. Jetzt sollst du sie tragen.«
    Ich greife nach den dünnen silbernen Gliedern, und mit einer fließenden Bewegung gleitet die Kette auf meine Handfläche. An ihr hängt ein kleiner Anhänger, ein stilisiertes Kreuz aus Ranken, die so filigran gearbeitet sind, dass sie in all ihren Details zu erkennen sind. In der Mitte der sich kreuzenden Ranken sitzt in einer Zargenfassung ein winziger blauer Stein. Gekrönt wird das Ganze von einer hellgrauen Perle, die sich am unteren Ende des Anhängers an den Stängel anschließt. Ich finde sie wunderschön.
    »Danke, Oma!«, hauche ich ehrfürchtig.
    »Leg sie an!«
    »Okay …« Ich kämpfe mit dem Verschluss, der schon ein wenig eingerostet wirkt. Doch dann schaffe ich es.
    »Sie steht dir.«
    »Wow, danke!« Ich umfasse den Anhänger, der sich perfekt in die Kuhle meines Schlüsselbeins schmiegt.
    »Gerne, mein Kind.«
    »Ich werde sie in Ehren halten!«
    »Das freut mich.«
    Eine halbe Stunde später mache ich mich schwer beschenkt wieder auf den Weg in meine Wohnung. Dieses Mal brauche ich zum Glück nicht so astronomisch lange. Kurz vor sieben schließe ich meine Haustür auf.
    Heute Abend werde ich nichts Großartiges mehr unternehmen, denn morgen muss ich arbeiten. Es ist verkaufsoffener Sonntag und der vierte Advent. Ich rechne damit, dass die Leute wie die Verhungernden die Innenstädte stürmen werden, insbesondere die männliche Hälfte der Menschheit. Es ist immer wieder erheiternd, völlig hilf- und ahnungslose männliche Kunden zu beraten, denen der Angstschweiß auf der Stirn steht. Wie kommt man aber auch als Mann auf die Idee, seiner Liebsten zu Weihnachten einen Pullover oder ein Shirt zu kaufen, so was geht doch fast zu hundert Prozent schief. »Ein nicht kalkulierbares Risiko«, um es mit Männerworten auszudrücken.
    Nach der Arbeit wollen wir Mädels noch zu unserem Lieblingsmexikaner, der fabelhafte Cocktails zaubert.
    In der Küche schnappe ich mir einen Joghurt und nehme mir fest vor, es nach der Kuchenorgie auch dabei zu belassen. Aus Mangel an Ablenkung durch ein fesselndes Abendprogramm verputze ich allerdings noch ein ganzes Marzipanbrot und eine halbe Tafel Schokolade. Gut, dass ich keine Waage besitze. Es gibt nichts Deprimierenderes, als sich wegen jedem halben Kilo rauf oder runter wahnsinnig zu machen.
    Am nächsten Morgen kann ich ausschlafen, denn wir öffnen nur von 12 bis 18 Uhr. Ich lege Omas Kette an und betrachte sie im Spiegel. Sie ist so schön! Die Geschenktüte habe ich natürlich brav in meinem Kleiderschrank verstaut, die Versuchung, sie auszupacken, war aber schon sehr groß. Obwohl ich schon um neun aus den Federn gefallen bin, bin ich jetzt trotzdem plötzlich spät dran und erwische gerade noch per Dauerlauf meine Bahn.
    Im Laden trägt Gundis zur Feier des Tages noch mehr Armbänder. Debo hat einen Haarreifen mit einem kleinen Rentiergeweih auf dem Kopf, und Sina hat ihre langen blonden Haare zu Schnecken aufgesteckt, in denen silbernes

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