Oneiros: Tödlicher Fluch
nahm Zwiebelmett. Das Taxi hatten sie gestern natürlich nicht am TT halten lassen, sondern es zu einer entfernteren Straße bestellt.
»Ich dachte, das macht es einfacher für uns. Die Polizei wird mich noch früh genug wegen des Vorfalls in der
Achatkammer
anrufen, fürchte ich. Auch wenn ich mich heute Morgen schon in aller Form bei der Chefin entschuldigt habe.« Marna sah nicht glücklich aus. »Wie ich schon sagte: Ich habe viel erlebt, aber das, was Sie mir bieten, Korff, ist die Krönung.«
»Lassen Sie hören. Ich bin ganz Ohr. Was erlebt man, wenn man illegalen Schmuckhandel betreibt?«
»Es geht vermutlich genauso zu wie bei korrupten Bestattern. Man muss nervöse Kunden beruhigen, Zertifikate besorgen, Experten bestechen, Drängeleien aushalten und ständig mit Männern essen gehen, die betonen, wie attraktiv ich bin«, zählte sie auf und trank vom Espresso. »Bei Ihnen sind es dann wohl die trauernden Witwen, die Sie abschleppen wollen.«
Konstantin lachte. Er mochte ihren bösen Humor. »Was war das Gefährlichste, das Sie bisher erlebt haben?«
»Zwei Überfälle. Einer während eines Geschäfts, einer danach. Deswegen begleiten mich normalerweise Leibwächter.« Marna sah auf die Uhr. »Ich ziehe mich an, und dann sollten wir zum Flugfeld. Der Helikopter bringt uns nach Frankfurt, und Sie sollten Ihr Gepäck aus dem Hotel mitnehmen. Señor Hoya legt Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild.« Sie erhob sich.
Dabei klaffte ein kleiner Spalt im Pyjama auf, und Konstantin sah ihre üppige Brust aufblitzen. Ein dunkler, kleiner Hof mit einer keck aufragenden Spitze.
Keine Tätowierungen.
Der Anblick ihrer Oberweite war ihm unangenehm, er kam sich wie ein Spanner vor.
Sie verschwand im Bad.
Er nahm sein Handy heraus und rief Jester an, um ihn über die Planänderung zu informieren.
Der MI 6 -Agent nahm nach dem zweiten Klingeln ab. »Du hast es auch erfahren?«, fragte er aufgeregt.
Konstantin stutzte. »Ich weiß nicht, was du meinst. Guten Morgen, übrigens.«
»To fucking bloody hell with
guten Morgen!
Arctander ist in Madrid gewesen und hat einen Anfall bekommen. Wieder einmal«, haspelte Jester schnell und außer sich. »Achtzigtausend Tote.«
Mein Gott!
Das Handy glitt ihm aus den Fingern. Er schnappte sich die Fernbedienung und zappte durch die Sender, bis er einen Bericht fand. Die nach wie vor unbekannte Terrorgruppe habe erneut zugeschlagen. Der Anschlag mit dem heimtückischen Giftgas übertreffe alles, was die Menschheitsgeschichte bisher an Terrorattacken kenne. Vom Stadion gab es nur Hubschrauberbilder, da das Gelände abgesperrt worden war, doch die Aufnahmen waren erschütternd. Menschenmassen auf den Rängen, alle lagen scheinbar friedlich nebeneinander. Der Fluch hatte zugeschlagen.
Das Bild vom Stadion wurde kleiner und rutschte an den Rand. Eine Spezialistenrunde aus Ärzten, Militärangehörigen und Geheimdienstmitarbeitern spekulierte über das Gas, das immer noch als Ursache für die Anschläge galt und eine frappierend ähnliche Wirkung wie damals in Moskau zu haben schien. Ein Anästhetikum in hoher Dosierung wie Carfentanyl oder Halothan, das Benzilat-Gas BZ oder eine andere verbotene chemische Waffe, Lachgas mit zugesetztem Valium, ein Kampfstoff auf Acetonbasis – die Experten überschlugen sich mit Möglichkeiten.
Allerdings konnte niemand erklären, wie dieses Gas in einem Stadion, im Freien, wo Wind herrschte, angewandt werden konnte und ohne Ausnahme sämtliche Besucher gleichmäßig schnell tötete. So schnell, dass kaum eine SMS oder ein Anruf von den Opfern getätigt worden war.
Ich weiß es.
Konstantin wollte ausschalten, doch seine Finger umklammerten weiterhin die Fernbedienung.
»Hörst du mich?«, erklang Jesters brüllende Stimme aus dem am Boden liegenden Handy.
Konstantin bückte sich, hob das Telefon auf und hielt es ans Ohr. »Ja, ich höre dich wieder. Der Empfang war schlecht«, erwiderte Konstantin lahm. »Ich sehe gerade Bilder aus dem Stadion, und ich …«
»Wo bist du?«
»Noch nicht in Frankfurt, aber gleich auf dem Weg.« Konstantin wollte nicht verraten, was er trieb. Hätte er diesen Zwischenfall verhindern können, wenn er sich gleich mit vollem Einsatz an Arctanders Fersen geheftet hätte?
»Gut. Wir ändern den Plan. Ich muss umdisponieren«, sagte Jester angespannt. »Ich rufe dich morgen wieder an und sage dir, wo ich dich einsammle. Bis dahin werden wir wissen, wohin sich Arctander verzogen hat.«
»Wie das?«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher