Oneiros: Tödlicher Fluch
nicht gerade schicken Tunnel von Idar-Oberstein.
Oder ertrunken in der Nahe.
Oder …
Konstantin schluckte. Er zückte sein Handy und suchte nach Ivas Telefonnummer. Die Zahlenfolge leuchtete auf, die Verbindung wurde hergestellt.
»Der Teilnehmer ist zurzeit …«
Mist.
Konstantin legte enttäuscht auf. Er wollte nicht auf die Mailbox sprechen, sondern Ivas Stimme hören und ihr sagen, dass er sich nach ihr sehnte. Er rieb nachdenklich mit dem Daumen über die glatte Oberfläche des Displays.
Schritte näherten sich.
»Hoya hat einem Treffen zugestimmt«, sagte Marna. »Wir können zu ihm kommen. Ich habe seine Adresse.« Damit machte sie klar, dass sie ihn führen würde. Sie gab ihm seinen Ausweis zurück. »Thanatologe, Herr Korff? Der Ring passt aber mal zu Ihnen.«
»Kann man so sagen.« Konstantin sah auf den ruinierten TT . »Damit wird die Reise wohl nichts.«
»Sowieso nicht. Señor Hoya wohnt in Spanien. In Madrid. Wir fahren zu meiner Wohnung, und ich stelle den Schrotthaufen ab, packe ein paar Sachen. Morgen können wir fliegen. Wie sieht es mit Ihnen aus?«
»Ich habe ein Hotel in Frankfurt. Dort ist auch mein Gepäck. Könnten Sie mich zur Börse fahren? Mein Leihwagen steht da.«
Sie nickte. »Kann ich. Aber es ist einfacher, wenn Sie hier übernachten.«
»Und morgen von hier nach Madrid? Ich wusste nicht, dass Idar-Oberstein einen internationalen Flughafen hat.«
»Uns reicht ein Flugplatz, wo wir den Helikopter stehen lassen können. Er gehört der Börse, um internationale Gäste aus Frankfurt abholen zu können. Diamanten und Edelsteine werden immer auf dem kürzesten Weg transportiert.« Marna stieg ein und sah ihm zu, wie er das Elend namens TT umrundete und neben ihr Platz nahm. »Ich habe eine Couch, die okay ist. Was halten Sie davon? Gegen zehn Uhr düsen wir mit dem Heli nach Frankfurt und von da mit einer Maschine nach Madrid.«
»Und was sagt Ihr Freund?«
»Er wird schon nicht beißen.«
Marna startete und fuhr los. Metall rieb quietschend gegen Metall, irgendwo schleifte etwas. Nach zwei Metern hielt sie wieder an. »Ich rufe uns ein Taxi. Sie zahlen.«
Konstantin grinste.
Idar-Oberstein, Deutschland
Dass Marna Herbst es mit
Freund
und
beißen
wörtlich gemeint hatte, bemerkte Konstantin, als er am nächsten Morgen fertig angekleidet die Tür der Gästetoilette öffnete, um hinauszugehen: Vor ihm stand eine hellbraune Deutsche Dogge, die ihm ohne Anstrengung das Gemächt abreißen könnte.
Wo kommt die denn her?
Gestern Nacht, als sie ins Haus gekommen waren, war der Hund nicht in Erscheinung getreten. Vermutlich gab es einen Raum, in dem der Vierbeiner üblicherweise untergebracht war.
In ihrem Schlafzimmer vielleicht?
Die Dogge sah ihn wachsam an, knurrte aber nicht.
Hoffentlich weiß er, dass er nicht beißen soll?
»Frau Herbst?«, sagte er laut und machte einen Schritt zurück und brachte die Tür zwischen sich und die Dogge, um sie notfalls zuschlagen zu können. »Ihr
Freund
steht vor mir.«
Aus der Wohnung erklang ein Lachen, gefolgt von einem befehlenden: »Zerbo, hierher!«
Der Doggenrüde warf ihm einen Blick zu, der zwischen beleidigt und drohend lag, dann wandte er sich um und trottete zu seiner Herrin.
Konstantin verließ die Toilette, in der er heimlich die Nacht verbracht hatte. Ein kleiner, abgeschlossener Raum ohne Fenster. Perfekt, um seiner Gastgeberin einen ungestörten Schlaf zu bescheren, aus dem sie wieder aufwachen würde. Weniger perfekt, wenn es um Konstantins Schlaf ging.
Er hatte es sich mit Handtüchern möglichst bequem gemacht – falls Marna in der Nacht nach ihm sehen sollte und die Sofakissen und die Decke fehlten, hätte sie Fragen gestellt, die er schlecht beantworten konnte – aber nach der Nacht zwischen Klo und Tür, mit dem Kopf unter dem Waschbecken, tat ihm der Rücken weh.
Er hatte von Marna Herbst geträumt. Das war vermutlich nicht weiter erstaunlich, aber es erfüllte ihn dennoch mit einem schlechten Gewissen. An Details erinnerte er sich zwar nicht mehr, aber es war eine Mischung aus Agenten- und Erotikthriller. Dummerweise trug sie in seinem kleinen privaten Nachtfilm die gleichen Ankh-Tätowierungen wie von Windau, überall, sogar am Hals. Das fand er befremdlich. Ein Psychologe konnte den Traum sicher besser deuten als er.
»Guten Morgen«, sagte er und betrat zum ersten Mal das Wohn- und Esszimmer, an das sich die offene Küche anschloss. Die Couch mit sorgsam zerwühlter Decke und Kissen stand in
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