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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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bot eine mit Zellophan abgedeckte Platte Schnittchen, die sicher von einem Meistercaterer belegt worden waren.
    »Hallo«, sagte Konstantin.
    Caràra sah auf. »Fertig, Monsieur?«
    »Pause. Es wird noch dauern. Aber ich bekomme es hin.« Konstantin absolvierte ein paar Dehn- und Streckbewegungen. Danach setzte er sich, während der Privatsekretär sein Buch zuklappte und ihm Kaffee aus einer Thermoskanne eingoss. »Danke.«
    »Dauert eine Einbalsamierung immer so lange?«
    »Nein. Normalerweise bin ich nach zwei Stunden fertig.« Konstantin wählte ein Brötchen mit Schinken, das mit Tomate und Ei garniert war. Einbalsamieren machte hungrig. Ihn zumindest.
    »Aha.« Mehr sagte Caràra nicht und schenkte sich ebenfalls ein.
    Konstantin schwieg und ging in Gedanken die nächsten Arbeitsschritte durch. Einige Stunden würde er noch in dem Keller verbringen müssen. »Ich soll Demoiselle Lilou komplett ankleiden und einsargen, oder?«
    »So lautet der Wunsch des Marquis, Monsieur Korff.« Er bot ihm Milch und Zucker an, beides nahm Konstantin reichlich. »Ich habe mit ihm telefoniert, und er lässt ausrichten, dass es ihm sehr recht wäre, wenn Sie kurz vor der Trauerfeier noch einmal vorbeikommen und nach der Demoiselle sehen.«
    Wie schön er es umschrieben hat.
»Ich habe sehr viel zu tun …«
    »Ihr Aufwand wird extra bezahlt, Monsieur.«
    »Was nichts daran ändert, dass ich noch andere Kunden habe, Monsieur Caràra«, beharrte Konstantin mit einem Lächeln. »Ich sitze morgen bereits im Flieger nach Russland, dazu kommen Leipzigs Tote, um die ich mich ebenfalls kümmern muss.« Er biss von seinem Brötchen ab und kaute.
    Caràras Lippen wurden schmal. »Das wird dem Marquis nicht gefallen.«
    »Ich kann es nicht ändern. Richten Sie ihm aus, dass es ausreichen wird, wenn er einen Visagisten nochmals einen Blick auf den Körper werfen lässt.« Konstantin trank schlürfend vom Kaffee, der heiß und süß schmeckte. Der Formaldehydgeschmack in seinem Mund ließ dadurch endlich nach. »Meine Arbeit muss nicht überprüft werden. Solange Sie oder sonst jemand die Überreste der Demoiselle nicht vor der Trauerfeier in die Sommersonne schieben, wird nichts geschehen. Das garantiere ich Ihnen.«
    »Gut. Ich werde Ihre Worte dem Marquis übermitteln.« Caràra trank ebenfalls von seinem Kaffee und schaffte es, dabei ungehalten und beleidigt zu wirken.
    Der Rest der Pause verlief stumm.
    Nach einer halben Stunde kehrte Konstantin unter die Erde zurück.
    Er tupfte Lilou erneut ab und gab Füllmaterial in den Bauchraum, legte die Tüte mit den inneren Organen hinzu, zudem sparte er nicht an Ardol. Er benutzte anschließend feines, unsichtbares Garn, um die Schnitte zuzunähen.
    Dann waren die Körperöffnungen an der Reihe, wo es ums Verschließen und die Geruchsbindung ging. Demoiselle sollte keinesfalls einen streng süßlichen Geruch in der Kathedrale verströmen.
    Der nächste Schritt verlangte nun Fingerspitzengefühl: Konstantin kümmerte sich mit gezielten Injektionen um die Stellen, an denen die blauen Flecken hartnäckiger geblieben waren. Hypodermale Einbalsamierung nannte sich die Methode.
    Danach richtete er die Knochen an Wange und Nase, soweit es ihm möglich war, und griff zu einer sich verfestigenden Gelmasse für die deformierten Stellen in Lilous Gesicht, drückte sie mit einer speziellen Spritze unter die Haut und modellierte sie. Konstantin verglich penibel die Züge der Toten nach jeder Korrektur mit den Bildvorlagen, schob und veränderte Millimeter, prüfte, schob und korrigierte, bis er zufrieden war. Das war die kniffligste Arbeit, die von ihm erwartet wurde, aber sie gab Lilou ihre Schönheit zurück.
    Er merkte nicht, wie die Zeit verging. Sein Tun nahm ihn vollkommen in Beschlag. Dass sein MP 3 -Spieler inzwischen schwieg, nahm er ebenso wenig wahr.
    Nach fünf Stunden richtete er sich auf und lächelte auf die Leiche nieder.
    Gut. Das Schwierigste ist geschafft.
    Jetzt kam wieder Routine, die ihm leicht von der Hand ging, ohne dass er die Konzentration dabei vernachlässigte: den Hals mit Zellstoff auspolstern – einen zusätzlichen Rachenverschluss benötigte er nicht –, Gehörgänge mit Knetwachs abdichten, die Ligatur für den Mund und Augenkappen unter die Lider, um das Einfallen und Öffnen zu verhindern.
    Jetzt war es beinahe geschafft. Konstantin bereitete den Sarg mit Ardol vor. Behutsam zog er der Leiche ein weißes, hochgeschlossenes Spitzenkleid an und legte sie in den Sarg, wo

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