Oneiros: Tödlicher Fluch
nichts zu sagen gab. Caràra würde nicht wissen wollen, wie die Einbalsamierung im Detail verlaufen war, und er fühlte sich zu müde, um Fragen nach der Familie Girardin zu stellen.
Geht mich auch nichts an.
Vor dem Hotel fand der Sekretär schließlich seine Stimme wieder. »Monsieur Korff, was die Bezahlung angeht: Bar? Jetzt sofort? Per Überweisung?«
»Sie wollen mir sagen, dass Sie ein paar tausend Euro in bar mit sich herumschleppen?«
Caràra lächelte vielsagend.
»Wenn das so ist, dann nehme ich es in bar.« Konstantin bekam von ihm einen Umschlag gereicht. Er sparte sich die Mühe nachzuzählen, es fühlte sich schwer genug an.
Mehr als vereinbart gewesen war.
»Über den Bonus entscheidet der Marquis, wenn er seine Tochter gesehen hat, Monsieur Korff. Sie werden von mir erfahren, wie sein Urteil ausfällt.« Caràra schüttelte ihm die Hand.
»Wie ich schon sagte, das ist nicht nötig. Guten Abend, Monsieur Caràra. Alles Gute.« Konstantin steckte den Umschlag in sein Sakko, stieg aus, nahm den Alukoffer von der Rückbank und betrat die Lobby des
Hôtel De Vendôme.
Zu dieser Zeit war sie bis auf den Concierge leer.
Der Hotelangestellte nickte ihm zu, reichte ihm seinen Schlüssel und eine kleine Karte. »Die hat ein Gentleman für Sie abgegeben, Monsieur Korff.«
»So?« Konstantin öffnete sie. Er erkannte die Handschrift, und das Zitat ließ auch den letzten Zweifel verschwinden.
I choose my friends
for their good looks,
my acquaintances
for their good characters,
and my enemies
for their intellects.
A man cannot be too careful
in the choice of his enemies.
Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray
Also habe ich mich nicht geirrt! Ich habe ihn in dem Kreisverkehr wirklich gesehen.
Wie eigenartig, dass sich einer seiner besten Freunde gerade in Paris aufhielt.
Wenn auch sicher nicht freiwillig.
Er musste lachen und senkte die Karte. Dass sie sich in der Metropole Paris in einem vierspurigen Kreisel begegneten und vorher mehr als ein halbes Jahr nichts voneinander gehört hatte, passte zu ihrer besonderen Beziehung.
Konstantin nahm es als Hinweis, sich bei ihm zu melden.
Aber nicht mehr heute. Ich brauche ein Bad und ein Glas Wein, danach muss ich mich in den nächsten Fall einlesen.
Die Moskauer hatten mit einem schwierigen Fall zu kämpfen, und er war gespannt, ob er etwas beisteuern konnte.
»Gute Nachrichten, wie ich sehe, Monsieur Korff«, kommentierte der Concierge höflich. »Das ist doch erfreulich.«
»Ja, das kann man so sagen.« Er ging auf den Fahrstuhl zu. »Gute Nacht.«
In dem Moment kam ein Pärchen zur Tür herein und ging schnurstracks auf den Aufzug zu. Er hörte den erbosten Ruf des Concierge, aber sie schoben sich zu ihm in die Kabine. Der Mann hielt eine Kamera in der Hand und wollte sie gerade anheben.
Jedenfalls versuchte er es.
Das sind die Typen mit der Vespa!
Konstantin hielt seinen Koffer wie einen Schild vor sich und drängte sie zurück in die Eingangshalle, wo der Angestellte bereits wutentbrannt um den Tresen eilte. »Ich glaube nicht, dass die beiden Hotelgäste sind«, sagte Konstantin unwirsch.
»Nein, Monsieur Korff«, antwortete der Concierge und packte den schmalen Fotografen am Kragen. »Presse. Sie waren schon einmal da, und ich habe sie vor einer Rückkehr gewarnt.«
Der Mann versuchte trotzdem, Aufnahmen von Konstantin zu schießen, doch der Koffer versperrte ihm die Sicht. Nach einem kurzen Handgemenge mit dem Concierge fiel der Apparat zu Boden, das Objektiv zersprang.
Konstantin nahm das Gehäuse an sich und machte einen Rückwärtsschritt in den Fahrstuhl. Rasch nahm er den Chip aus dem Gerät und warf die Kamera der Frau zu, die geistesgegenwärtig zupackte.
»Monsieur«, rief sie und hielt ein Smartphone in die Höhe, die kleine Linse war auf ihn gerichtet. »Ein Interview, bitte! Was haben Sie mit Caràra …«
Konstantin drehte sich zur Seite, die Tür schloss sich. Sein Gesicht gehörte bestimmt nicht auf die Titelseite eines Klatschblattes. Das könnte das Interesse der falschen Leute wecken. Auftraggeber von früher, als er noch andere Jobs angenommen hatte.
Der Fahrstuhl trug ihn empor, zu seinem luxuriösen Zimmer.
Wo er die Nacht verbringen konnte, hatte er gleich nach dem Einchecken überprüft: Er würde sich mit den großen, gemütlichen Sofapolstern ein Bett in der Ankleide richten.
Denn die Ankleide, das hatte er grob geschätzt, war der kleinste Raum der Suite. Beste Voraussetzungen für einen ungefährdeten,
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