Onkel ist der Beste
doch zur Ehre ihres Onkels muß gesagt werden, daß er nicht die leiseste Gefühlsregung zeigte. »Ach, das verschwundene Etui! Danke. Wo hast du es gefunden?«
»Am einleuchtendsten Ort. Wenn die Schafscherer da sind, halten Sie das Ding lieber versteckt, Sir. Der Weiße, dem Ihre Haarbürste gefiel, hat daran noch viel mehr Gefallen gefunden.«
»Peter!« riefen die anderen in einem Atem erleichtert aus, und Dora fügte leicht verärgert hinzu: »Ein unangenehmer Kerl. Ein Jammer, daß er immer dabei ist.«
»Und wie bist du zu der Vermutung gelangt, daß Peter der Missetäter ist?« fragte Robert interessiert.
»Es war keine Vermutung. Zufällig habe ich gesehen, wie er vor Ihrem Fenster stehen blieb, und dann sah ich etwas Glänzendes in seiner Tasche verschwinden. Ich habe das Etui zuvor in Ihrem Zimmer liegen sehen, und so habe ich gleich richtig geschlossen.«
»Und wo hast du es an dich genommen?« fragte Robert.
»Ich habe es aus seinem Koffer geholt.«
»Ich bin dir aufrichtig dankbar«, sagte Robert. »Es hätte mir leid getan, wenn das Etui verlorengegangen wäre.«
Terry sah Robert ernst an: »Vielen Dank dafür, daß Sie keine voreiligen Schlüsse gezogen haben. Die meisten hätten sicher gedacht, der jugendliche Verbrecher hat es wieder versucht.« Dabei konnte er nicht verhindern, daß sein hübsches Gesicht leicht errötete...
Judy machte ein impulsive Bewegung. Dora sah ihn voll Mitleid und Zuneigung an, doch Robert sagte nur kurz: »Mein Junge, nimm bitte zur Kenntnis, daß ich kein Dummkopf bin.«
Diese Worte machten der Spannung ein Ende. Judy lächelte, und von Dora wich die Verkrampfung. Terry sah Robert gerade an und sagte: »Dafür danke ich am meisten.« Dann ging er rasch hinaus.
Dora wandte sich ab, doch Robert hatte Tränen in ihren Augen gesehen. Judy meinte: »Mama macht sich solche Sorgen. Sie glaubt, er werde niemals darüber hinwegkommen und niemals wieder jemandem trauen, nicht mal uns.«
Diesmal war Robert ungeduldig, als er sagte: »Natürlich wird er darüber hinwegkommen. Er hat gar keine andere Wahl. Aber du wirst ihm nicht dazu verhelfen, wenn du ihn dauernd hätschelst oder bemitleidest.«
Dora machte ein erschrockenes Gesicht und blieb nachdenklich stehen. Ihr Verstand, der nie sehr rasch reagierte, mußte diese neue Idee erst verarbeiten.
Im Verlauf der nächsten Woche war die Familie abwechselnd hochgestimmt und niedergeschlagen durch die Antworten, die auf ihr Inserat kamen. Diesmal brachte das angegebene Gehalt einige Ergebnisse, obgleich die meisten Antworten ziemlich unbefriedigend waren. Ungeachtet des Wortes »ledig« bewarb sich ein verheirateter Mann mit vier Kindern und erklärte optimistisch, daß die zwei Familien »sich sicher zusammenraufen würden«. Ein anderer ignorierte die geforderte Altersgrenze und gestand sechzig Jahre ein, obwohl seine Stimme beträchtlich älter klang. Unglücklicherweise nahm Dora diesmal den Anruf entgegen.
»Armer alter Mann, es klang ganz so, als wäre er auf die Stelle sehr angewiesen...«
»Mutter«, unterbrach Judy sie aufgebracht, »du weißt, daß wir ihn nicht brauchen können. Glaubst du etwa, er könnte bei einem Unwetter durch das hügelige Gelände reiten? Du hast ihm doch hoffentlich abgesagt?«
»Nun ja, ich konnte ihn nicht völlig enttäuschen«, gestand Dora und errötete unter den anklagenden Blicken der anderen. »Ich habe gesagt, ich wolle erst euch fragen. Er solle wieder anrufen.«
Judy stieß einen hörbaren Seufzer aus, und sogar Terry schien beunruhigt.
»Er sagte, er hätte gern ein nettes Zuhause. Es mache nichts aus, wenn wir nicht das ganze Gehalt zahlen können. Ich nehme an, schwere Arbeit kann er nicht schaffen, aber wir könnten ihm ein Heim und ein wenig Geld bieten. Es schien ihm so sehr daran zu liegen.«
Sie wechselten verzweifelte Blicke. Robert ergriff das Wort. »Dora«, sagte er mit Bestimmtheit, »du kannst unmöglich ein Heim für alte Männer aufmachen. Einer reicht schließlich.«
Alle lachten, doch Judy sagte ernst: »Onkel Robert, mir wäre lieber, du würdest mit den Bewerbern am Telefon sprechen. Du wirst besser damit fertig als wir alle, und du kannst Mama im Zaum halten.«
Widerstrebend erklärte er sich einverstanden. Das Telefon war ein Instrument, das er nicht mochte und dem er mißtraute. Er hatte den Kontakt damit während seiner Jahre als Lehrer auf ein Minimum beschränkt. Ihm war klar, daß Dora eine Gefahr darstellte. In den nächsten beiden Tagen war
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