Onkel ist der Beste
draußen und kam erst abends in der Dunkelheit wieder nach Hause. Sie war abgemagert, und Robert machte sich Sorgen, wie lange sie diese Überbeanspruchung noch aushalten konnte.
Das Inserat erschien immer wieder in Lokalzeitungen und überregionalen Blättern, manchmal in großem und teurem Format, dann wieder bescheiden versteckt unter vielen anderen, wobei diese anderen in Roberts voreingenommenen Augen attraktiver wirkten. Ein- oder zweimal bekamen sie Antwort, doch die Bewerber ließen nichts mehr von sich hören, wenn sie von der Größe des Besitzes erfuhren, von der verhältnismäßig bescheidenen Entlohnung und der Entfernung von der nächsten Stadt. Zwei gingen etwas weiter und kamen zu einer Besichtigung, traten dann aber überstürzt den Rückzug an. Trotzdem blieb nichts übrig, als es weiter zu versuchen.
»Ich bin entsetzt, wenn ich sehe, wieviel Sie arbeiten«, sagte Dr. Gresham, als er eines Morgens um zehn kam und Dora dabei antraf, wie sie einen enormen Wäscheberg zum Trocknen aufhängte.
»Na, soviel ist es auch wieder nicht«, erwiderte sie lächelnd, nahm den Korb und bat ihn zum Kaffee hinein.
Er folgte ihr und nahm dabei wohlwollend wahr, wie anmutig ihr Gang war. So viele Frauen stolzierten oder stelzten dahin. Auch bei der gewöhnlichsten Arbeit wirkte sie attraktiv. Nie hatte er sie unordentlich gesehen, ihre Röcke waren immer makellos, obwohl sie selten eine Schürze trug. Ein Jammer, daß etwas so Charmantes und Ansehnliches an einem solchen Ort vergraben bleiben sollte.
Nie hatte er besseren Kaffee getrunken. Robert, der die beiden von seinem Fenster aus beobachtet hatte, folgte ihnen ins Wohnzimmer, wo der Arzt ihn mit oberflächlicher Höflichkeit begrüßte.
Dann fuhr er in seiner kurz unterbrochenen Erzählung fort, während Dora ihm mit ungeteilter Aufmerksamkeit zuhörte.
Robert sah die beiden verärgert an. Doras Augen hingen am Gesicht des Arztes, und sie schien sich lebhaft für das Gesagte zu interessieren. Robert hatte ihr oft gesagt, daß sie die beste Zuhörerin der Welt sei, aber das war etwas ganz anderes, denn da hatte sie ja ihm zugehört. Und jetzt schien sie von Dr. Greshams Konversation ebenso gefesselt, und nur Robert vermutete, daß sie sich in Wirklichkeit fragte, ob er zum Essen bleiben wollte und, wenn ja, wie sie vier Koteletts in fünf zerteilen sollte.
Später zog er sie damit auf, und Judy und Terry taten mit. Dora lächelte zuerst nur, wechselte dann aber das Thema mit einer Bestimmtheit, die ihre Familie beunruhigend fand.
Terry brachte die Sache abends zur Sprache, als sie beim Feuer saßen, während »die Alten« das Geschirr spülten. Das war in der neuen Hausordnung zur Regel geworden. Er streckte seine langen Beine dem Feuer entgegen und sagte, nachdem er sich durch einen Blick vergewissert hatte, daß die Tür geschlossen war: »Wir bekommen auch nie Ruhe. Kaum ist Elsa erledigt, taucht dieser Hohlkopf von Arzt auf. Und er ist jemand. Er hat etwas zu bieten.«
»Ja, Aussehen, Geld und Energie. Der Haken daran ist, daß er durch und durch selbstsüchtig ist. Mutter ist ihm im Grunde völlig gleichgültig. Er möchte eine hübsche Frau für seine elegante Praxis und fliegt auf den nachgiebigen weiblichen Typ, den er zu Tode kommandieren kann. Er nimmt sich, was er bekommen kann — und er ist der Ansicht, daß sie die ideale Dekoration für sein Haus abgeben wird... Aber was können wir unternehmen? Ich weiß genau, daß er sie bloß ausnützen wird. Sie wird zwar nicht mehr in der Küche rackern, aber sie wird verdammt härter im Salon arbeiten müssen — sicher wird er sein Wohnzimmer Salon nennen.«
»Wahrscheinlich. Wir sind uns also einig, daß er nicht in Frage kommt.«
Robert kam in diesem Moment allein herein, und Terry wandte sich an ihn: »Eine ernste Diskussion ist im Gang. Gegenstand ist Dr. Gresham. Sagen Sie uns, was Sie von ihm halten.«
»In diesem Haus wird viel zu viel über andere gesprochen. Ich habe schon einmal gesagt, daß ernsthafte Lektüre viel...«
Judy lachte. Sie konnte ihrem Onkel nicht böse sein. »Magst du ihn?«
Robert runzelte die Stirn. »Er ist ein fähiger Mensch. Aber er erscheint mir etwas rücksichtslos, allzu sehr zum Erfolg entschlossen.«
Judy seufzte: »Das haben wir uns auch gedacht.«
»Euch ist doch klar, daß wir für diesen Kerl nicht zählen«, sagte Terry unglücklich. »Er würde die Familie zur Hölle schicken, wenn Sie diesen Ausdruck entschuldigen wollen, Mr.
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