Onkel ist der Beste
der Bemerkung: »Ich mag diesen jungen Mann sehr gern. Die ungünstige Wendung der Ereignisse hat mich sehr enttäuscht.«
Dora hielt mit ihrer Arbeit kurz inne und sagte: »Mich auch... Ich weiß, ich sollte über Judys Herzensangelegenheiten nicht reden, aber es ist eine Erleichterung, wenn man sich aussprechen kann, und du bist der einzige, an den ich mich wenden kann.«
»Hast du wie ich das Gefühl, daß Judy an Alan etwas liegt? Daß sie sich früher oder später einig geworden wären?« fragte er.
»Ja. Aber Judy ist jung, und sie möchte nicht als Versagerin gelten. Da ist sie sehr eigen. Der Gedanke, daß Alans Geld uns retten sollte, wäre ihr unerträglich. Ich glaube, beim Sportfest ist etwas passiert. Alan war verärgert, weil Chapman sie geküßt hat. Als ob das gezählt hätte! Aber ich habe das sichere Gefühl, daß sie an jenem Tag Streit hatten, weil Alan seither einfach verschwunden ist. Aber wir können nichts unternehmen.«
Robert gab ihr recht. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, am nächsten Tag Andrew Winter, dem er am Postkasten begegnete, zu fragen, wie es seinem Neffen gehe.
»Er macht noch immer Ferien. Dabei sieht er sich Farmen an, hat aber noch nichts gefunden. Die Preise sind unverschämt, und sein Kapital ist nicht unbegrenzt. In Wahrheit ist ihm unsere Gegend am liebsten... Aber wie ich gehört habe, hat der Verwalter Mrs. Moores gekündigt?«
»Er hat eine bessere Stelle in Aussicht. Ich glaube, wir waren für ihn nur Lückenbüßer.«
»Heutzutage sind sie alle so. Kommen leicht und gehen noch leichter.«
Tatsächlich bereitete Chapman der Abschied nicht die geringste Verlegenheit. Er blieb angenehm und charmant bis zum Schluß und arbeitete auch an seinem letzten Tag noch hart. Niemand hatte von den vor ihnen liegenden Schwierigkeiten gesprochen, und er war völlig unbefangen, als er sich verabschiedete.
Nur Terry erschien zur Verabschiedung nicht. »Gut, daß wir ihn los werden, das ist meine Meinung«, sagte er früh am Morgen zu Robert, »aber der Lump weiß genau, daß er uns in der Tinte sitzen läßt«, und diesmal tadelte ihn Robert nicht. Er selbst wurde mit einem freundlichen gönnerhaften Abschied bedacht. »Leben Sie wohl, Mr. Macalister. Passen Sie bei diesem Klima gut auf sich auf.«
Zu Dora sagte Chapman: »Leben Sie wohl, Mrs. Moore. Haben Sie vielen Dank für die nette Behandlung« und zu Judy: »Einen allerletzten Kuß, Judy, und arbeite nicht zuviel.«
Das war doch die Höhe, dachte Robert. Doch Judy erwiderte lachend seinen Kuß und sagte: »Besuchen Sie uns, wenn Sie je wieder in diesen Teil der Welt kommen sollten. Viel Glück.«
Im nächsten Augenblick war Chapman in seinen Wagen gestiegen, und gleich darauf war das Fahrzeug verschwunden.
14. Kapitel
»In unserem Bezirk scheint plötzlich alles zu kränkeln«, sagte Judy zu ihrem Onkel wenige Tage nach dem Weggang Chapmans und wies mit einer Kopfbewegung in Richtung Wohnzimmer, wo Dr. Gresham mit ihrer Mutter beim Tee saß. »Und immer führen ihn seine Krankenbesuche an diesem Haus vorbei. Es liegt eben so günstig für eine Tasse Tee und ein gemütliches Plauderstündchen. Aber ich habe die Nase voll — und außerdem bin ich höchst beunruhigt. Er stellt eine große Gefahr dar.«
»Gefahr?« wiederholte Robert. »Liebe Judith, du läßt dich von deiner Phantasie überrumpeln.«
Das Wort Gefahr war im Hinblick auf einen so passablen Mann einfach lächerlich. Der Doktor war nicht alt, höchstens Mitte vierzig. Er sah sogar recht gut aus und galt als hervorragender Arzt. Fleißig war er ebenfalls, denn er hatte sich eine Stadtpraxis gekauft, die momentan noch nicht frei war. Statt nach einem Auffrischungskurs in England faul herumzusitzen, hatte er lieber diese Landpraxis übernommen. Er ließ keinen Zweifel daran, daß er im Leben Erfolg haben wollte. Er hatte nicht geheiratet und war nun, wie früher Andrew Winter, auf der Suche nach einer Frau.
Robert wollte sich nicht in die Sache hineinziehen lassen. Insgeheim mußte er aber feststellen, daß Dr. Gresham Dora sehr anziehend fand. Warum auch nicht? Er würde sie aus den Härten des Landlebens in die Stadt entführen, und sogar Judy hatte gesagt, ihre Mutter würde dort am glücklichsten sein. Warum hielt Judy ihn dann für eine Gefahr? Robert sagte sich, daß dies höchst widersinnig sei.
Inzwischen war das Leben zwar ruhiger, aber für Judy und Terry fast unerträglich anstrengend geworden. Judy war als erste am Morgen
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