Onkel ist der Beste
und ihr Onkel hielten im Essen inne. Doras Hand an der Teekanne erstarrte. Nur Terry schien weder beunruhigt noch erstaunt. Schließlich ergriff Dora das Wort.
»Lebewohl sagen? Soll das heißen, daß Sie uns verlassen, Colin?«
»Ja... Ist Ihnen übrigens klar, daß ich schon fünf Monate da bin? Für mich eine sehr lange Zeit. Aber es hat mir gefallen, und ich habe hoffentlich gute Arbeit geleistet.«
»Sie haben sehr viel geleistet«, entgegnete sie gemessen. »Aber wir haben gehofft, daß Sie sich hier zu Hause fühlen und daß Sie die Stelle als Dauerstelle ansehen. Von uns aus ist sie es.«
»Dauerstelle?« Sein Ton war nicht unverschämt, sondern nur ehrlich amüsiert. »Dauer hat es für mich nie gegeben. Das würde Stillstand bedeuten, und Stillstand kann ich mir nicht leisten.«
Robert war wütend und machte seinem Unwillen mit ungewohnter Heftigkeit Luft. »Können Sie es sich leisten, Menschen im Stich zu lassen, die Ihnen vertraut haben? Soviel ich weiß, steht uns die arbeitsreichste Zeit des Jahres erst noch bevor, eine Zeit überdies, in der man schwer Arbeitskräfte bekommt. Erwarten Sie denn, daß Judy und Terence es allein schaffen?«
Chapmans Gesicht verhärtete sich. Mit einem leichten Achselzucken sagte er: »Ich bin nicht derart von mir eingenommen, daß ich mich für unentbehrlich halte, Mr. Macalister. Ich bin ganz sicher, daß Judy« — er sah ihr mit freundlichem Lächeln ins ausdruckslose Gesicht — »damit fertig wird oder ihren früheren Verehrer wieder auftreibt, der nur zu gern meine Stelle einnimmt.«
Die verächtliche Anspielung auf Alan war unmißverständlich. Mit einem leichten Schock wurde Robert klar, daß dieser eitle junge Mann die sportliche Niederlage vor drei Monaten Alan nie ganz verziehen hatte. Bei seinen letzten Worten war Judy errötet, doch sie sagte nur: »Wir werden es schon schaffen. Machen Sie sich bloß keine Sorgen um uns!«
»Ich dachte mir, daß Sie das sagen würden. Ich glaube, wir hatten uns auf vierzehntägige Kündigung geeinigt? Übrigens werde ich eine Stelle in Stadtnähe und mit milderem Klima antreten.«
Seine Sicherheit war so unerschütterlich, daß Dora am liebsten gesagt hätte: »Gehen Sie schon morgen. Es wäre uns lieber.« Aber sie wußte, daß sich heutzutage kein Arbeitgeber solche Reden leisten konnte und daß jede Woche, die dieser fähige, aber grundsatzlose junge Mann länger hier blieb, es etwas leichter für Judy machte. So sagte sie bloß: »Wenn Sie fest entschlossen sind, gibt es nichts mehr zu sagen. Ich danke Ihnen übrigens für die geleistete Arbeit und wünsche Ihnen viel Erfolg.«
Robert konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: »Zweifellos werden Sie Erfolg haben — einen gewissen Erfolg. Würdest du mich jetzt entschuldigen, Dora? Ich muß noch Briefe schreiben.«
Er setzte sich in seinem Zimmer an den Schreibtisch. Es gab keine dringenden Briefe, die er schreiben mußte, er wollte nur Judy nicht ins Gesicht sehen müssen. Was war geschehen? Judy und Chapman schienen so gut miteinander auszukommen. Wie oft hatte er, Robert, gesehen, daß Chapman seinen Arm um sie legte und sie küßte, lachend und harmlos natürlich, aber Robert nahm doch an, daß junge Leute sich nicht umarmten, ohne daß ihre Gefühle dabei im Spiel waren. Im vergangenen Monat, nach dem Verschwinden Alans, hatte er versucht, sich mit dieser Lage der Dinge abzufinden. Er hatte sich gesagt, Alan sei nur eine Freundschaft gewesen, die durch den Klatsch unglücklich geendet hatte.
War Judy jetzt herzlos verlassen worden? Es war offensichtlich, daß sie von Chapmans Plänen keine Ahnung gehabt hatte. Er saß da und starrte seine Feder an. Die Briefe an zwei anhängliche ehemalige Schüler mußten warten.
Als das Haus ruhig geworden war, machte er sich auf die Suche nach Dora. Bedrückt sagte sie: »Ist das nicht ein harter Schlag? Es war albern von mir zu glauben, Colin habe sich hier gut eingelebt. Das ist bei jungen Leuten heute nie der Fall. Aber der Zeitpunkt seiner Kündigung ist sehr ungünstig.«
»Er hat sicher einen besonderen Grund für diese Eile.«
»Nein. Er hat einfach ein besseres Angebot bekommen. Um gerecht zu sein: Er hat schon zu Anfang gesagt, daß er das hier nur >als Abwechslung< betrachte. Mehr war es sicher nie für ihn. Er hat mir gleichmütig erzählt, er werde einen großen Betrieb fünfzehn Meilen von der Stadt entfernt leiten und tausend Pfund im Jahr bekommen. Das alles freut ihn sehr. Natürlich ist er es
Weitere Kostenlose Bücher