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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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empor.
    Flip besah sich genau, wie die Gegend beschaffen war. Der Boden war am linken Ufer flach und stellenweise feucht oder sogar sumpfig. Man spürte, daß sich darunter ein ganzes Netz von Rinnsalen erstrecken mußte, die sich wohl durch eine unterirdische Spalte in den Fluß ergossen. Manchmal wurde das Unterholz von einem richtigen Bächlein durchflossen, über das die beiden Weggefährten mühelos hinwegstiegen. Das gegenüberliegende Ufer war welliger und steiler. Die stufenartig mit Bäumen bewachsene Böschung stieg steil an und bildete einen die Sicht versperrenden Vorhang. Es wäre schwierig gewesen, an diesem Ufer vorwärtszukommen, da das Gefälle sehr ausgeprägt war und die über das Wasser geneigten Bäume nur wie durch ein Wunder im Gleichgewicht blieben.
    Es braucht nicht weiter erwähnt zu werden, daß dieser Wald von menschlicher Einwirkung vollkommen unberührt war. Flip stieß lediglich auf tierische Spuren. Nirgendwo Schürfungen, die von einer Spitzhacke oder einer Axt herrühren konnten. Nirgendwo Reste eines erloschenen Feuers. Der Seemann war nur froh darüber, denn auf diesem Stück Land mitten im Pazifik, in diesem von Kannibalen heimgesuchten Seegebiet, fürchtete er menschliche Gegenwart mehr, als daß er sie herbeisehnte.
    Flip und Robert gingen immer weiter, wenn sie auch nur langsam vorankamen; nach einer Stunde Marsch hatten sie kaum eine Meile zurückgelegt. Sie entfernten sich nicht vom Flußufer, das ihnen wie ein wahrer Ariadnefaden ermöglichte, aus diesem Labyrinth wieder herauszufinden. Oft blieben sie stehen, um zu betrachten, was das Tierreich hier zu bieten hatte. Der so vielseitig bewanderte Flip, der schon in der ganzen Welt herumgekommen war, von den kältesten bis zu den heißesten Zonen, hoffte nun, daß er eine ihm bekannte Frucht antreffen würde. Bislang allerdings war seine Suche ergebnislos. Die Bäume dieses Waldes gehörten vor allem der Familie der Nadelhölzer an, die sich in allen Regionen des Globus spontan fortpflanzen, von den nördlichen Klimazonen bis zu den Tropen. Einem Naturforscher wären insbesondere die Himalaya-Zedern aufgefallen. Diese Bäume verbreiteten einen angenehmen Duft, von dem die ganze Luft erfüllt war. Dazwischen wuchsen zahlreiche Gruppen von Strandkiefern, durch deren breite, schirmähnliche Kronen das Sonnenlicht nicht durchdringen konnte. Im Gras lagen haufenweise trockene Zweige, die beim Drauftreten wie Knallfrösche krachten.
    Unter dem Geäst zwitscherten und flogen einige Vögel umher, doch waren sie äußerst scheu. Unter anderem wurde Robert in den feuchteren Waldesteilen auf einen Vogel mit spitzem, länglichem Schnabel aufmerksam, der von der Anatomie her einem Eisvogel ähnelte. Von diesem unterschied er sich jedoch durch sein recht struppiges, metallisch glänzendes Gefieder. Robert und Flip hätten ihn gerne fangen wollen, der eine, um ihn seinen Brüdern mitzubringen, und der andere, um ihn auf seine Eßbarkeit hin zu untersuchen. Doch ließ das Tier die beiden nicht an sich heran.
    »Was ist denn das für ein Vogel?« fragte Robert.
    »Mir scheint, Monsieur Robert, daß ich diesem Vogel schon einmal in den Wäldern Südamerikas begegnet bin, und dort nennt man ihn Jacamar.«
    »Was würde der sich gut in einem Vogelhaus machen!« rief der Junge aus.
    »Und in einem Kochtopf erst!« versetzte Flip. »Aber dieser Braten hat wohl keine Lust, sich von uns erwischen zu lassen!«
    »Was soll’s!« rief Robert und deutete auf einen Vogelschwarm, der durch die Blätter flatterte. »Da sind noch andere! Was für ein schönes Gefieder sie haben! Und was für lange, schillernde Schwanzfedern! Aber wie klein sie sind! Von ihrer Größe und Farbe her könnten sie es mit Kolibris aufnehmen!«
    Die etwas plump wirkenden Vögel, die der Junge gemeint hatte, flogen durch das Astwerk davon, wobei ihre nicht besonders festsitzenden Federn leicht abfielen und am Boden schon einen richtigen Flaum bildeten. Flip hob einige auf und besah sie sich.
    »Kann man die nicht essen, diese Tierchen?« fragte Robert.
    »Und ob, mein junger Herr«, antwortete der Seemann. »Sie sind sogar sehr begehrt, weil ihr Fleisch so zart ist. Ein Perlhuhn oder ein Auerhahn wäre mir zwar lieber, aber mit ein paar Dutzend von diesen Vögelchen ließe sich dennoch eine ganz anständige Mahlzeit zubereiten.«
    »Und heißen tun sie …?«
    »Kurukus«, antwortete Flip. »In Nordmexiko habe ich Tausende davon gefangen, und wenn ich mich recht erinnere, kann man

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