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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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fast auf gleicher Höhe wie der Fluß lag. Clifton ließ die Schot ablaufen, und das Boot fuhr vom Rückenwind getrieben in die Flußmündung ein. Die Sonnenstrahlen wurden nun nicht mehr von der Felswand abgehalten und schienen fröhlich auf sie herab. Fido bellte freudig, und Jack antwortete ihm.
    Die Kinder erkannten beim Vorbeifahren das erste Lager wieder, und Mrs. Clifton zeigte ihrem Mann die Stelle, an der ihnen das umgedrehte Boot als Zelt gedient hatte. Aber die Flut trieb das Boot schnell voran. Die Felsen des ersten Lagers verschwanden.
    Bald hatte das Boot zwischen den grünen Ufern den Punkt erreicht, an dem der Fluß auf den Wald traf. Die Reisenden fuhren von nun an unter einem Blätterdach dahin. Bei einigen der größeren Bäume hatten sich über dem Wasser die Äste ineinander verknotet. Das schlaff herabhängende Segel war nun nutzlos geworden. Der Onkel bat Marc und Robert, es einzuholen, was die beiden Jungen behende erledigten. Die Ruder wurden vorbereitet, doch war die Flut noch immer ausreichend, um das Boot ziemlich rasch vorwärtszubringen. Das Steuerruder war nicht mehr wirksam, da die Geschwindigkeit der Flut und der Strömung nun gleich waren, und der Onkel brachte daher am Heck einen Wriggriemen an, mit dem er das Boot in der gewünschten Richtung halten konnte. »Diese Ufer sind wirklich bezaubernd«, sagte Clifton, als er den unter dem grünen Dach sich windenden Fluß eine Weile betrachtet hatte.
    »Ja«, sagte die Mutter, »was doch die Natur mit ein wenig Wasser und ein paar Bäumen für herrlichen Schimmer erzeugen kann!«
    »Davon werden Sie noch viel mehr sehen, Madame«, erwiderte Onkel Robinson. »Wie gesagt, das Schicksal hat uns in ein Zauberland geführt.« »Haben Sie denn diesen Fluß schon erkundet?« fragte Mrs. Clifton.
    »Gewiß«, antwortete Robert. »Der Onkel und ich sind durch Lianen und Gestrüpp das rechte Ufer hinaufgegangen.«
    »Was für schöne Bäume!« sagte Clifton.
    »Ja«, pflichtete ihm der Onkel bei. »An Holz wird es uns nicht mangeln, was immer wir auch damit anfangen wollen.«
    Tatsächlich wuchsen am linken Ufer prächtige Exemplare der wertvollen Feldulme, die bei Baumeistern so begehrt ist und sich sehr lange im Wasser hält. Dann standen dort zahlreiche Gruppen, die ebenfalls der Familie der Ulmengewächse angehörten, unter anderem Zürgelbäume, aus deren Früchten sich ein sehr nützliches Öl gewinnen läßt. Später fielen dem Ingenieur einige Lardizabaleen auf, deren biegsame Zweige sich ausgezeichnet als Taue verwenden lassen, wenn man sie eine Weile in Wasser mazerieren läßt, und zwei oder drei Ebenholzgewächse, deren hartes Holz von schwarzer Färbung und leicht gemasert ist. Unter anderem erkannte Clifton eine für Nordamerika typische Art, den
Dios piros virginiana,
der bis zum Breitengrad von New York anzutreffen ist.
    Zu den schönsten Bäumen gehörten die zur Gattung der Liliengewächse zählenden Riesen, von denen Humboldt auf den Kanarischen Inseln besonders herrliche Exemplare gesehen hatte.
    »Ah, die schönen Bäume!« riefen Robert und Marc aus.
    »Das sind Drachenbäume«, sagte Mr. Clifton, »und es wird euch vermutlich erstaunen, meine Kinder, daß diese Riesen nichts weiter sind als vom Ehrgeiz gepackter Lauch.«
    »Ist das die Möglichkeit?« rief Marc.
    »Oder daß sie zumindest«, fuhr Clifton fort, »zur gleichen Familie der Liliengewächse gehören wie die Zwiebel, die Schalotte, der Schnittlauch und der Spargel. Die bescheideneren Mitglieder dieser Familie wären uns auch von größerem Nutzen gewesen als diese riesigen Bäume. Zu den Liliengewächsen gehören ferner die Tulpe, die Aloe, die Hyazinthe, die Lilie, die Tuberose und das
Phormium tenax,
jener Neuseeländer Flachs, um den eure Mutter jetzt so froh wäre.«
    »Vater«, fragte Marc, »wie konnten denn die Naturforscher hundert Fuß hohe Drachenbäume zur gleichen Familie rechnen wie zwei Zoll große Zwiebeln?«
    »Deshalb, weil die typischen Eigenschaften dieser Pflanzen gleich sind, mein Junge. Das gilt auch für das Tierreich, und du wärst sicher erstaunt, in ein und derselben Kategorie auf Haie und Rochen zu stoßen. Die Familie der Liliengewächse ist eben sehr umfangreich, und man zählt nicht weniger als zwölfhundert Arten auf dem ganzen Globus, vor allem aber in den gemäßigten Zonen.«
    »Na, dann besteht ja noch Hoffnung«, rief der Onkel, »daß ich eines Tages ein paar jener bescheideneren Liliengewächse antreffe, die Ihnen lieber

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