Onkel Schwein (German Edition)
längere. Je mehr er sich umsah, desto mehr Knochen fielen ihm auf.
„Beim letzten Mal waren noch mehr da“, sagte Lisa. Sie hatte inzwischen die Arme verschränkt und schien zu frieren.
„Zuerst kommen die Ameisen und Käfer und Würmer, dann größere Tiere wie Vögel und Füchse. Im nächsten Jahr ist nichts mehr da“, vermutete Teever.
Er bückte sich und spähte mit Hilfe der Taschenlampe unter einen Felsblock.
„Da klemmt etwas großes, ein Schädel vielleicht“, presste er hervor, während er mit einem Stock unter dem Felsen hantierte. Endlich kam etwas Großes zum Vorschein. Lisa hielt den Atem an. „Ist es ein…“ Sie wagte nicht, den Satz zu beenden.
„Nein, keine Sorge, das war einmal ein Schwein.“ Teever grunzte.
„Gott sei Dank“, entfuhr es Lisa.
Teever stocherte weiter im Erdreich herum.
„Was haben wir denn hier!“
Er bückte sich. Etwas Kleines, Rundes lag in seiner Handfläche. Erdreich klebte daran und ein vergammeltes Blatt.
„Das ist ein Knopf. Von einer Jacke oder einem Mantel“, stellte Lisa fest und sah sich dabei um, als ob der Besitzer gleich aus dem Schatten der Bäume treten würde.
„Das hat noch nichts zu bedeuten“, sagte Teever. „Ich weiß, was du denkst. Den kann ein Waldarbeiter verloren haben oder ein Wanderer. Oder der Bauer, der hier seine Schweine entsorgt hat. Oder Tim, als er die Knochen fand.“
„Der hatte bestimmt nicht solche Knöpfe.“
Teever sah wieder zu Boden und leuchtet mit der kleinen Lampe.
„Ich kann keine Menschenknochen entdecken. Oder erkennen.“ Plötzlich reflektierte etwas neben Lisas Fuß.
„Nanu, was ist denn das“, sagte er mehr zu sich selbst. Ein Beobachter hätte meinen können, er kniete vor Lisa nieder. Als er sich wieder erhoben hatte, lief es ihm kalt den Rücken herunter. Im Dämmerlicht unter dem dichten Geäst konnte Lisa unmöglichgesehen haben, dass er erblasste, dennoch merkte sie, dass er etwas Besonderes gefunden hatte.
So cool wie möglich sagte er:
„Hast du schon mal von Schweinen mit Goldzähnen gehört?“
Es war nur ein Teil eines Kieferknochens, doch Teever war froh, als er ihn an ihrem Haus aus der Jackentasche nehmen konnte. Sie gab ihm eine Plastiktüte. Auf dem Rückweg hatten beide genug Zeit und Ruhe für Gedanken gehabt, sodass sie jetzt wieder fröhlicher wirkten.
„Möchtest du noch auf eine Kaffee hereinkommen“, fragte Lisa. Keine gute Idee, dachte Teever.
„Wir haben leckere Plätzchen gebacken. Deutsche Weihnachtskekse.“
Teever kämpfte mit sich. Sie sah nett aus in ihrem Karohemd. Eine widerspenstige Haarsträhne fiel Lisa immer wieder ins Gesicht.
„Gleich kommen auch Michael und die Kinder. Möchtest du nicht mit uns Kaffee trinken?“
Das war das Allerletzte worauf Teever Lust hatte.
„Vielleicht ein anderes Mal“, schwindelte er, „ich muss den Knochen zur Polizei bringen.“
„Hat das nicht Zeit?“ fragte Lisa, sichtlich enttäuscht und fügte hinzu: „Du wirst Michael wohl nie kennenlernen.“
Wie schade, dachte Teever. Er schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen.
„Wie schade“, sagte Lisa und grinste: „Du verpasst etwas. Die Kekse sind eine Wucht.“
„Du kannst mir ja welche vorbeibringen, wenn ihr ein paar übrig lasst“, sagte er mit einem Zwinkern, das er sofort bereute. Was sollte sie von ihm denken!
Ehe Teever reagieren konnte, beugte sie sich zu ihm hin und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Lisas Duft streichelte ihn und er wünschte, es wären ihre Hände, die das taten.
„Mach’s gut“, sagte sie leise, „und danke für deine Hilfe mit dem Knochen.“
Unbeholfen grinsend erwiderte er ihren Kuss mit einer Art Umarmung, die ihm schrecklich ungelenk vorkam und ging dann verlegen zu seinem Wagen. Sie winkte ihm kurz zu und verschwand im Haus.
Er verharrte einen Moment hinter dem Steuer. Mit körperlicher Nähe hatte er nie gut umgehen können. Wie so oft wusste er sie nicht einzuordnen. Küsste Lisa alle Menschen? Mochte sie ihnbesonders gern oder hatte die Berührung keine tiefere Bedeutung für sie? Was sollte er machen? Sie gefiel ihm, doch sie war auch verheiratet und er würde sich niemals in eine Ehe drängen. Schon gar nicht, wenn es Kinder gab. Oder müsste er für Lisa seine Prinzipien über Bord werfen?
Völlig verwirrt zwang er sich, den Motor zu starten. Wenn er noch lange hier herumsitzen würde, käme sie noch wieder aus dem Haus heraus. Er suchte nach passender Musik für den Moment. Endlich fand er
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