Onkel Schwein (German Edition)
Geburtstag hatte.
Das Schneegestöber nahm zu. Große graue Flocken prallten gegen die Windschutzscheibe und wurden über das Dach wegkatapultiert. Bing Crosbys Traum von einer weißen Weihnacht würde in Erfüllung gehen.
Während die Wälder Smålands an ihm vorbeiflogen, fragte sich Teever wieder, ob eine Absicht dahinter lag, dass es nicht zu einem Gespräch von ihm mit Eva Axelsson kam. Noch immer war sie gerade nicht da, konnte nicht an das Telefon kommen oder rief nicht zurück, obwohl er ihrem Mann aufgetragen hatte, sie darum zu bitten. Aber welchen Grund mochte sie haben, das Gespräch zu verweigern? Sollte es wirklich wegen möglicher Vorhaltungen sein, weil sie die ROCX-Sache verraten hatte? Ganz konnte er das nicht glauben. Eva war trotz aller gesundheitlichen Einschränkungen kein Mensch gewesen, der seinen Standpunkt nicht vertreten konnte. Auch hatte Teever mit Eva nie ein Problem gehabt. Deshalb entschloss er sich, am Haus der Axelssons vorbeizufahren. Vielleicht war sie diesmal da. Am Sonntag konnte sie zumindest nicht beim Arzt oder beim Friseur sein.
Nach dem dritten Klingeln wollte Teever schon zu seinem Wagen zurückgehen, als die Haustür doch noch geöffnet wurde.
„Du bist es“, sagte Eva Axelsson nur und sah zu ihm auf. Sie war fast zwei Köpfe kleiner als Teever. „Ich dachte, Lennart hätte seinen Schlüssel vergessen.“
Ihre Stimme war immer noch ungewöhnlich tief für die Körpergröße. Teever empfand die Begrüßung als merkwürdig, wenn man bedachte, dass sie sich etliche Jahre nicht gesehen hatten.
In Gedanken hatte er sich zurechtgelegt, was er Eva sagen wollte, doch nun waren die schönen Formulierungen weg. Deshalb sagte er nur „Ja“ und bat, ein paar Minuten hereinkommen zu dürfen.
Sie nickte wortlos, drückte mit festem Händedruck seine Hand und führte ihn in das Wohnzimmer. Teever bemerkte, dass ihr leichtes Hinken sich über die Jahre verstärkt hatte. Immerhin hat das Geld den Geschmack für eine gemütliche Einrichtung nicht verdorben, dachte Teever und ließ sich unaufgefordert in einen Schwingsessel fallen. Eva Axelsson ging zu einem Schrank und fragte ohne sich umzudrehen: „Möchtest du auch einen Drink?“
Als Teever nicht sofort antwortete, fügte sie mit Schärfe in der Stimme hinzu: „Ach nein, du trinkst sicher immer noch nicht, oder?“
„Bestimmt nicht am Mittag“, nahm Teever die Spitze an und ärgerte sich sofort darüber. Das würde nicht hilfreich sein, doch Eva lachte nur leise auf und goss zwei fingerbreit Cognac aus einer Kristallkaraffe in einen Schwenker ein.
Teever betrachtete sie. Sie hatte ihr Haar jetzt länger als früher. Es war fast komplett ergraut und Teever wunderte sich darüber, da sie zwar deutlich älter war als er, aber dennoch weit davon entfernt, eine Greisin zu sein.
Sie trug bequem aussehende Hausschuhe aus Filz. Sie bildeten einen Kontrast zu ihrer übrigen Bekleidung. Ihre karierte Hose sah teuer aus und die Bluse schien auch nicht von H&M zu sein. Um den Hals hing eine schmale, goldene Kette mit einem dezenten Anhänger aus irgendeinem Edelstein. Teever tippte auf Opal, war sich aber nicht sicher.
„Wir sind beide älter geworden“, stellte sie plötzlich fest. Dann, mit merkwürdig kehliger Stimme: „Es ist lange her. Hätte Lennart…“, sie machte eine Pause und fuhr dann fort „…es tut mir leid.“
Teever wusste nicht genau, was ihr Leid tat und sagte nichts. Sie sah ihn traurig an.
„Kannst du Kent aus dem Gefängnis holen?“
Teever war vom abrupten Themenwechsel überrascht, obwohl das Schicksal des Sohnes natürlich ihre Gedanken bestimmt haben dürfte. So wie er nur noch an Lisa denken konnte. Oder früher an die getöteten Kinder. Oder an Lennarts Verrat. An Catharina. Wenn es jemanden gab, der sich in seinem Schmerz einem einzigenThema zuwenden konnte, dann war er es: Torbjörn Teever, der Doppel-Weltmeister im Selbstmitleid und Dauergrübeln.
Teever hatte diese oder eine ähnliche Frage bezüglich Kents im Bewusstsein erwartet, sie ohne Zufriedenheit für Eva beantworten zu müssen. Er schwieg. Eva Axelsson setzte sich auf das Sofa und legte sich ein buntes Kissen auf den Schoß.
„Du bist sicher sauer, weil ich der Presse von der Entführung dieses Moderators erzählt habe“, fuhr sie fort. „Doch, sag mir, was hättest du gemacht? Es geht schließlich um meinen einzigen Sohn.“
Teever schwieg weiter, weil er merkte, dass sie sprechen wollte.
„Ich versuche stark zu sein.
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