Onkel Schwein (German Edition)
von Drogen in den Griff bekommt.“ Er lachte humorlos. „Doch einer muss ja das Geld nach Hause bringen.“
„Die Drogen sind ja gerade das Problem“, erwiderte Teever oberlehrerhaft und fragte sich, warum Axelsson jahrelang die Augen verschlossen hatte.
Sein Gegenüber spielte geistesabwesend mit einer Servierte. Teever fixierte ihn. Nein, dachte er traurig, was auch ist und was auch wird, ich kann dir nicht verzeihen. Und deine Droge ist die Arbeit, fügte Teever in Gedanken hinzu. Du betäubst deine Probleme mit deiner Frau und deinem Kind mit Umsatz, geschäftlichem Erfolg und beruflicher Macht. Anstatt deinem Sohn ein teures Fahrrad zu kaufen, hättest du gemeinsam mit ihm zu Fuß gehen sollen. Er war sich nicht sicher, ob er das Verhalten Axelssons erbärmlich, schrecklich oder einfach nur traurig fand.
Als sie sich vor dem Restaurant in der kalten Nachtluft verabschiedeten, beugte sich Teever zu Eva Axelsson herab und flüsterte ihr ins Ohr.
„Danke für den Versuch.“
Lennart Axelsson winkte zum Abschied unbeholfen, während sich Teever und Eva die Hand gaben. Der Wind wehte eine Plastiktüte an ihnen vorbei. Ein loser Keilriemen jaulte in der Nähe auf. Eva Axelssons Händedruck war wie ein Schraubstock. Immer wieder erstaunlich für eine derart kleine Frau.
Im Autoradio sang Chris Brown „No more chance.“
Als Teever wieder zu Hause war, fand er endlich Zeit, einen Blick in den Karton mit den letzten Erinnerungsstücken an Cäcilie Waldén zu werfen. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, doch ein Tagebuch war es nicht gewesen. Er fand es ganz am Boden, unter gehäkelten Tischläufern, Kerzenständern aus Messing, einer Sammlung von Elefanten aus rosafarbenem Stein und anderem Plunder, der Teever wie geschaffen für einen Flohmarkt schien. Nicht, dass er etwas davon gekauft hätte.
Das Büchlein hatte einen weinroten Einband aus beschichtetem Karton. Es fühlte sich glatt und angenehm an und er stellte sich Cäcilie Waldén vor, wie sie das Buch zur Hand nahm und mit blauer Tinte ihre Gedanken niederschrieb. Wahrscheinlich bei einer Tasse Tee oder Kaffee, denn einige Seiten waren mit Flecken versehen. Die seltsam nach links geneigte Schrift war nur sehr schwer zu entziffern. Es handelte sich weniger um eine exakteAbfolge von Erlebnissen, als um die Gedanken, die der Frau so durch den Kopf gegangen waren. Nur die erste und die letzte Seite waren mit einem unvollständigen Datum versehen. Cäcilie Waldén hatte den ersten Satz an einem 4. Juli begonnen und das Buch an einem 12. Dezember beendet. Beim raschen Durchblättern erkannte Teever, dass es den Zeitraum von siebzehn Monaten umfasste. Sie hatte nicht an jedem Tag etwas geschrieben und selten mehr als eine Seite.
Teever setzte sich an den Küchentisch, feuerte den Holzherd an und vertiefte sich in die Lektüre. Bald taten ihm die Augen weh. Das meiste waren Banalitäten. Er fragte sich, ob er ein schlechtes Gewissen haben musste, die ganz persönlichen Gedanken einer ihm unbekannten Frau zu lesen. Das hätte sie bestimmt nicht gewollt. Aber sie war tot. Und andererseits ging es hier um das Schicksal eines jungen Mannes. Der lebte. Wenn ihm Teevers Lektüre helfen könnte, dies in Freiheit zu tun, war es das wert.
Auch Catharina hatte ein Tagebuch geführt und sie war ausgerastet, als er es einmal auf ihr Nachtschränkchen zurücklegen wollte, weil es auf den Boden gefallen war. Es hatte ihn einige Überzeugungskraft gekostet, ihr zu versichern, dass er nicht darin gelesen hatte. Von da an hatte sie das Buch immer in einer Schublade verschlossen. Teever hatte dieser Mangel an Vertrauen verletzt. Aber Tagebücher waren sowieso nicht seine Sache. Ihn schreckte der Gedanke ab, einem Buch Dinge anzuvertrauen, die er mit seiner Partnerin nicht besprechen konnte. Teever glaubte nicht daran, dass es helfen würde, die Dinge aufzuschreiben, die einem immer und immer wieder durch den Kopf gingen.
Cäcilie musste dieses Buch geschrieben haben, als sie bereits verwitwet im Altenheim gelebt hatte. Sie ließ sich in grober Weise über die ausländischen Küchenhilfen und Pfleger aus und lamentierte über die schädlichen Einflüsse dieser Kanaken. Kannte sie die Bedeutung dieses Wortes überhaupt? Teever musste lächeln, als er las, dass sie Frau Byström als Schlampe bezeichnet hatte, weil diese sich angeblich an einen Tischnachbarn herangemacht hatte.
Und dann fand er Einträge, die sich mit ihrem Bruder beschäftigten. Teever hielt den Atem an.
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