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Onkel Schwein (German Edition)

Onkel Schwein (German Edition)

Titel: Onkel Schwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frans Brood
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Wenn diese Schrift nur nicht so schwer zu lesen wäre, dachte er. Der Kaffee in dem angestoßenen Keramikbecher einer Arzneimittelfirma mit Schwerpunkt Abführmittel war mittlerweile kalt und schmeckte grausam. Es schüttelte ihn bei der Erinnerung an seine Eltern, die immer aufgewärmten Kaffee getrunken hatten.
    Cäcilie hatte ihren Bruder geliebt. Oder den Umstand, dass er sie abgöttisch verehrt hatte. Doch sie hatte auch negative Seiten an ihm bemerkt und sich darüber Gedanken gemacht. Dazu gehörte die Tatsache, dass er Bilder von nackten Kindern sammelte. Sie hatte das verabscheut. Wenn Teever Cäcilie Waldén richtig verstand, hatte er damals eine Zeitung für FKK-Freunde abonniert, in der auffallend viele Bilder von nackten Mädchen und Jungen abgebildet waren. Den Satz „Bin ich schuld?“ hatte sie dreifach unterstrichen. Teever fragte sich, was sie damit meinte. Hatten Bruder und Schwester ein inzestuöses Verhältnis unterhalten? Oder hatte sie ihn in falscher Schwesterliebe von anderen Frauen ferngehalten und geglaubt, seine Vorlieben damit verursacht zu haben?
    Teever raufte sich die Haare.
    Er kam immer mehr zu der Auffassung, dass der Schlüssel des Falles nicht bei Kent, sondern bei Waldén liegen würde. Immer wieder ging ihm die Brutalität, die Grausamkeit der Darstellung des Leichnams durch den Kopf. War es doch eine Vergeltung?
    Er starrte gedankenverloren auf den Becher und fragte sich, was Lisa wohl gerade machte. Bestimmt saß sie mit ihrem Mann und den Kindern am Tisch und spielte. Er blickte zur Uhr.
    Nein, sie waren wohl schon im Bett. Er zwang sich, an etwas anderes zu denken.
    Plötzlich fiel es ihm ein. Der Schlüssel in Waldéns Haus. Natürlich. CÄCI.
    Cäcilie. Das Haus mit diesem Namen. Gleich morgen würde er es suchen. Gleich nach einer weiteren schlaflosen Nacht.

23 Dezember: Adam
    Um fünf Uhr morgens hatte Teever die Nase gestrichen davon voll, wach zu liegen und in die Dunkelheit seines Zimmers und seiner Seele zu blicken. Anstatt zu grübeln, könnte er auch arbeiten. Zum Beispiel die, wider alle Ökologie, auf Hochglanzpapier gedruckten Unterlagen des deutschen Reiseveranstalters lesen. Wenn er darüber nicht einschlief, könnte er vielleicht ein paar Aufstellungen mit Fragen anfertigen. Er liebte To-do-Listen, obwohl er dazu neigte, sie anschließend unbearbeitet in den Papierkorb zu werfen. Teever sah seine Mutter vor sich. Für sie war es fester Bestandteil eines Geburtstages gewesen, die Namen der Anrufer und Gratulanten aufzuschreiben. Er selbst hatte das vor ein paar Jahren auch einmal versucht und sich hinterher gefragt, ob der Zettel mit vier kümmerlichen Namen, von denen einer seiner Werkstatt und ein anderer der Bank gehörte, als Liste zu bezeichnen war.
    Als er am Spiegel im Flur vorbeikam, fiel ihm auf, dass er abgenommen haben musste. Hat das alles wenigstens diesen Vorteil, dachte er.
    Um viertel nach fünf war Teever die Lust auf das Aktenstudium vergangen, ohne dass ihn Müdigkeit ergriffen hatte. Was für ein trockener Scheiß, sagte er sich. Er duschte, zog die wärmsten Sachen an, die er finden konnte, füllte eine Thermoskanne mit dampfendem Kaffee und ging zu seinem Auto. Es war bitter kalt. Ein unbeschreiblich schöner Sternenhimmel empfing ihn und löste zu seiner eigenen Verwunderung seine Anspannung und Unruhe. Wasser gurgelte zwischen Eis und Mauern und sein Freund, der Erpel schlief im Mondlicht am Ufer des Flusses, den Schnabel ins Gefieder versteckt. In der Jackentasche fand er die zerdrückte Schachtel mit dem Antidepressivum. Er überlegte kurz, sah zu den Sternen, sagte „Scheiß drauf“, drückte eine Tablette aus dem Blister und spülte sie hastig hinunter. Dabei verbrannte er sich an dem heißen Kaffee Lippe und Zunge. Wie zur Strafe, weil er nachgegeben hatte.
    Lisa.
    Wie lange hatte er es ohne Mittel ausgehalten und ausgerechnet nun, wo zu den Albträumen, persönlichen Verlusten oder der beruflichen Krise etwas eigentlich Schönes wie ein Verliebtsein hinzugekommen war, wurde er schwach. Fast hätte er sich den Finger in den Hals gesteckt, um die Tablette wieder auszuspucken.
    Bis zu Waldéns Haus hatte er die Straße für sich. In der Nähe von Ör lief ihm ein Elch über den Weg. Der junge Bulle glotzte böse, ehe er sich in das Unterholz trollte.
    Einen Moment überlegte Teever, bei Lisa vorbeizufahren, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Was sollte das bringen? Rihanna sang „I hate that I love you so.” Ein

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