Onkel Schwein (German Edition)
in Gefahr bringen konnte. Das Zurückhalten von Beweisen oder Hinweisen war kein Kavaliersdelikt. Also erzählte er von Frau Byström, von Annika Aulin und sogar von Liza. Nur Mein-Calle Berg und seine Tochter ließ er aus. Dieses heikle Thema wollte er zunächst persönlich klären.
Wilhelmsson war zunächst sprachlos und dann überraschend dankbar für die Offenheit Teevers. Keine Vorwürfe. Nur die knappe Bitte, zukünftig nicht zu lange mit der Weitergabe von Informationen zu warten. Das könnte einmal ins Auge gehen.
„Das nächste Mal sagst du uns aber, dass der Tank leer ist“, grummelte Helgi, während Ellen Ammann den Baumschmuck auf dem Küchentisch ausbreitete. Sie lachte.
„Er ärgert sich, weil er zur Tankstelle laufen musste, um Benzin zu holen.“
„Hähähä“, imitierte er sie beleidigt.
„Tut mir leid“, erwiderte Teever. „Aber da war doch ein voller Kanister im Kofferraum.“
„Und den hat er erst hinterher gefunden“, lachte sie wieder, „das ärgert ihn am meisten.“ Sie hatte Farbe bekommen und wirkte viel frischer als Tage zuvor.
Helgi warf eine Packung mit Weihnachtssternen nach ihr.
„Immerhin bin ich nicht nachtragend“, sagte er und kramte in seiner Tasche. „Hier der Bon. Und ein Geschenk des Hauses.“
Er reichte Teever eine Karte aus Plastik. Die Statoil-Tankstelle teilte nicht nur ihre Öffnungszeiten mit, sondern informierte über die Namenstage des nächsten Jahres.
„Ich habe gleich ein paar davon mitgenommen. Man weiß nie, wofür so ein Kalender gut sein kann.“ Helgi führte einen an seine Zähne und versuchte, die Zahnzwischenräume zu reinigen.
„Praktisch, oder?“
Teever sah sich den kleinen Kalender an. Eine volle Minute.
Dann blickte er ungläubig Helgi an. Konnte es nicht fassen. War es so einfach?
„So ein Schwein“, bemerkte er mehr zu sich selbst.
„Was?“ fragte der große Isländer verwirrt, „so eklig ist es nun auch nicht.“
Teever klopfte ihm auf die Schultern.
„Nein, ich meine nicht deinen Zahnstocher.“
Er zeigte auf die Karte.
„Das hier ist super. Einfach fantastisch.“
Helgi sah in irritiert an. Auch Ellen blickte überrascht von ihren Schätzen auf.
„So toll ist der Kalender ja nun auch nicht“, sagte Helgi wie jemand, der sich veräppelt fühlte.
Teever machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Es ist nicht der Kalender. Es sind die Namen. Ich habe euch doch von diesem Ordner mit den Fotos und den Namen erzählt. Ich weiß jetzt, was dieser Perverse gemacht hat.“
Mit dem Zeigefinger überflog er die winzigen Buchstaben. Ida, 14. September. An welchen Namen konnte er sich noch erinnern? Jesper, 26. Juli. Richtig, Barbro.“
Besorgt stellte Teever fest, dass er die Karte von sich entfernt halten musste, um sie richtig lesen zu können. Die Arme wurden kürzer. Und er älter.
Dann sah er es. Barbro, 4. Dezember.
Er konnte es immer noch nicht wirklich fassen. Und war sich dennoch sicher. Er hatte das Rückenschild des Ordners genau vor Augen.
365.
Dieses abartige Schwein hatte versucht, für jeden Namenstag des Jahres ein nacktes Kind zu fotografieren. Und garantiert nicht, ohne sich möglichst an ihm zu vergehen.
Das konnte einfach kein Zufall sein. Teever fasste mit Daumen und Zeigefinger an seine Nasenwurzel. Welcher Name stand noch mal auf dem leeren Blatt? Markus? Martin?
Martin. Der Gedanke war ungeheuerlich. Martin Ammann. Waldéns eigener unehelicher Sohn hätte der nächste sein sollen? Zum Geburtstag ein schönes Foto mit dem lieben Onkel Folke? Teever erinnerte sich an die ordentlich aufgereihten Geweihe in Waldéns Eingang. Ein Trophäensammler.
Obwohl es geschneit hatte, war die alte Frau Berg ausnahmsweise nicht auf dem Hof beschäftigt. Niemand hatte den Schnee zur Seite geschoben, der den Unrat rund um das Haus gnädig bedeckte. Eine mattweiße Lampe mit einem gezackten Loch beleuchtete den Platz vor dem Wohnhaus. Ein Schneeschieber und ein Besen mit grünen Borsten lehnten verkehrt herum an der Wand. Teevers Schritte knirschten im Schnee. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Wie früher, wenn jemand mit den Fingern auf einer Schultafel gekratzt hatte.
Im Haus brannte Licht. Ein Auto stand vor der Scheune. Spuren verrieten, dass der Wagen erst kürzlich gekommen war. Teever hatte keinen Plan, doch er wollte mit Calle Berg sprechen, auch wenn er sich nicht mehr sicher war, was die Alte über die Rückkehr ihres Sohnes gesagt hatte.
Vor der Tür stampfte er mit den Füßen
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