Onkel Schwein (German Edition)
eine riesige Fläche man für Parkplätze zubetoniert hatte. Wo früher verfallene Kleingewerbeflächen dominierten, gab es jetzt alles was das Konsumentenherz begehrte: Schreibwaren, Werkzeug, Gartenmöbel, Schuhe und Lebensmittel, deren Ablaufdatum nur noch einen Augenblick entfernt war und die darauf warteten, von irgendwelchen Sparfüchsen ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit für den sofortigen Verzehr gekauft zu werden.
Plötzlich sah Teever in einer Bushaltstelle jemanden auf dem Boden liegen. Er hielt an. Der Wagen hinter ihm hupte und zog mit aufheulendem Motor vorbei. Teever stieg aus. Bestimmt ein Betrunkener, der seinen Rausch ausschlief und ihm zum Dank für seine Bemühungen anschließend die Jacke voll kotzen würde. Doch Teever dachte auch an die vielen Fälle, in denen hilflose Personen nach einem Schwächeanfall einfach liegengelassen wurden oder von den vorbeieilenden Passanten ignoriert an einem Herzinfarkt starben. Die meisten Menschen interessierten sich nur für sich selbst und Teever ärgerte, auch nur eine Sekunde daran gedacht zu haben, weiterzufahren, auch wenn er, wie jeder, seine eigenen Probleme – vor allem keine Zeit – hatte. Natürlich waren manche auch einfach nur ängstlich und ahnungslos, mit einem möglicherweise Verletzten richtig umzugehen. Selbst Teever war sich nicht sicher, ob er in der Lage wäre, einem wildfremden, vielleicht ungepflegten Menschen oder einem blutenden Unfallopfer eine Mund-zu-Mund-Beatmung zu geben. Doch zumindest konnte er telefonieren und professionelle Hilfe anfordern. Außerdem war das Wetter nun wirklich nicht nach einem gemütlichen Nickerchen unter freiem Himmel. Auf einem Hosenbein des Mannes, der hilflosenPerson, wie es in der Amtssprache hieß, hatte sich bereits Schnee angesammelt.
Er lenkte seinen Wagen halb auf den Gehweg und stieg aus. Ein junges Mädchen auf einem Fahrrad hielt ebenfalls an. Wenn einer anfängt, finden auch andere den Mut, dachte Teever.
Er beugte sich zu dem Mann herunter, der einen grauen Anzug und Turnschuhe einer ihm unbekannten Marke trug. Der Mann mochte um die sechzig sein. Sein Brustkorb hob und senkte sich, sein Gesicht sah friedlich aus.
„Ist er krank oder pennt er?“ fragte das Mädchen.
„Ich glaube, er schläft. Er ist bestimmt blau“, antwortete Teever und stupste den Mann an die Schulter. Sicher war sicher.
„Soll ich einen Krankenwagen rufen?“ fragte das Mädchen, „oder die Polizei?“
Der Mann seufzte im Schlaf, schmatzte zweimal und drehte sich auf die andere Seite Richtung Storgatan.
Es sah irgendwie niedlich aus und Teever musste lächeln. Ein rundes Gesicht mit Knopfaugen und einer Stupsnase. Am liebsten hätte er den Mann schlafen lassen, hatte aber Sorge, dass er irgendwann auf die viel befahrene Straße rollen oder, falls er aufwachte, auf die Fahrbahn torkeln würde. Außerdem war es kalt. Er stieß ihn erneut an, diesmal stärker. Plötzlich sprang der Mann in einem Tempo auf, das ihm Teever gar nicht zugetraut hatte. Das Mädchen und er machten erschreckt einen Schritt zur Seite.
„Einen Herzinfarkt hat er wohl nicht“, sagte Teever.
Der Mann stand nun wankend da und guckte zwischen Teever und dem Mädchen hin und her.
„Geht es ihnen gut?“ fragte Teever nicht sonderlich einfallsreich, doch es ging ihm mehr um die Reaktion, denn um eine sinnvolle Antwort.
Der Mann senkte den Kopf, machte einen Schritt auf ihn zu und legte Teever die Hand auf die Schulter. In einer unverständlichen, wahrscheinlich slawischen Sprache begann er, auf Teever einzureden. Die körperliche Berührung war Teever unangenehm. Er machte einen Schritt zur Seite. Jetzt ging der Mann mit gesenktem Kopf auf das Mädchen zu. Sie schrie auf und lief ein paar Schritte nach hinten. Der Mann blieb stehen und fluchte. Zumindest hörte es sich wie fluchen an. Er ruderte mit den Armen. Eine Art unkontrolliertes, groteskes Schattenboxen in Zeitlupe. Immer wieder verlor er den Halt, hielt sich an einem Zaunpfahl oder einem Verkehrsschild fest. Dann torkelte er fast auf die Straße, ehe Teever ihn am Arm packte.
Teever sah ein, dass sie den Mann nicht allein lassen konnten. Er machte dem Mädchen ein Zeichen. Hang loose. Mit Daumen und kleinem Finger imitierte er ein Mobiltelefon am Ohr. Das Mädchen verstand und wählte den Notruf. Der Mann kam fluchend und wütend fuchtelnd auf sie zu, als er das Handy an ihrem Ohr sah, verlor aber den Halt und fiel hart auf den Weg. Teever fiel auf, dass er eine teure
Weitere Kostenlose Bücher