Onkel Schwein (German Edition)
Armbanduhr trug.
Der Polizeiwagen musste in der Nähe gewesen sein, denn innerhalb kürzester Zeit hielt ein Saab hinter Teevers Landrover. Die Polizisten nickten ihm und dem Mädchen zu, zogen sich Handschuhe an und griffen nach dem Mann. Sie fragten nach Papieren. Er schien zu verstehen und griff in die Innentasche seines Anzugs, holte zuerst eine Brille, dann aber einen Ausweis in einer schmuddeligen Klarsichthülle hervor. Der Mann war Schwede, aber wahrscheinlich nicht als Nordmann geboren worden. Back to the roots im Suff, dachte Teever. Jetzt erinnerte sich der Mann nur noch an seine Muttersprache. Was für ein Schicksal mochte ihn nach Småland verschlagen haben? Ertrank er sein Unglück? Wäre er in seiner Heimat genauso besoffen gewesen wie an diesem kalten Tag an einer schwedischen Straße? Was mussten die Asylanten und die Einwanderer aus dem Osten oder Afrika zu Hause erlebt haben, dass sie die gesellschaftliche Kälte, Gettoisierung, Fremdenhass oder Armut in Schweden dem Leben in der Heimat, in der Familie, vorzogen. Bei allen gut gemeinten Versuchen steckte die Integration noch in den Kinderschuhen. Wenn sie denn überhaupt gewollt war.
Nachdem die Polizisten den Mann mit sanfter Gewalt auf die Rückbank des Polizeiwagens verfrachtet hatten, bedankte sich der eine Beamte bei Teever und dem Mädchen, ehe alle drei in entgegengesetzte Richtungen losfuhren.
Helgi saß in der Küche, trank einen Kaffee und aß einen Kopenhagener. Blätterteigkrümel hingen an seinem Pullover und erinnerten Teever an die Schuppen von Annika Aulin. Im Radio lief ein Oldie von Bananarama. Er blickte zur Uhr.
„Wartest du auf Robert de Niro?“ fragte Teever in Anlehnung an das Lied und machte sich sofort Gedanken, ob Helgi dies als Anspielung verstehen könnte. Allerdings war der Star aus Taxi-Driver nicht homosexuell. Kann ich nicht mehr normal mit Schwulen umgehen, fragte er sich. Doch der Isländer murmelte nur irgendetwas und biss erneut von dem Kuchenstück ab. Teig rieselte auf den Boden.
„Bisschen spät für den Nachmittagskaffee“, stellte Teever fest.
Helgi nickte und sagte mit vollem Mund: „Bin vorhin nicht dazu gekommen. Und morgen schmeckt das Ding nicht mehr.“
Teever fragte, ob es etwas Besonderes in der Kanu-Zentrale gegeben habe, doch Helgi schüttelte kauend den Kopf.
„Ein paar Briefe sind gekommen. Liegen da drüben.“ Er zeigte auf den Küchentresen.
Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
„Ich habe aber etwas anderes für dich.“
Er stand auf. Der Stuhl knarrte über den Boden. Aus der Hosentasche förderte er ein mehrfach zusammengefaltetes Stück Zeitung hervor. Dann legte er es auf den Tisch und blätterte es auseinander.
Teever griff nach dem Papier und dreht es zu sich um.
„Waldén“, sagte er, „mit Bart. Und?“
„Ich kenne ihn.“
Teevers Interesse war schlagartig geweckt.
„Oder ich kannte ihn. Obwohl kennen eigentlich zu viel ist. Ich habe ihn ein paar Mal gesehen.“
„Wo das?“ fragte Teever und setzte sich.
„Gelegentlich treffe ich mich mit ein paar Freunden in einer Bar. In Jönköping. Sie heißt Lido.“
Teever hatte vor Jahren im Rahmen einer Ermittlung von der Bar gehört, war allerdings nie dort gewesen. Schwulentreffpunkte hatten ihn bisher nicht sonderlich interessiert.
„Kenne ich. – Jönköping. Weit weg.“
Teever gingen Helgis Abwesenheiten durch den Kopf.
„Stimmt“, erwiderte der Isländer knapp und fuhr mit einem irritierten Kopfschütteln fort. „Jedenfalls kam er, im Frühjahr muss es gewesen sein, ein paar Monate lang regelmäßig dahin. Er sagte er heiße Bengt, glaube ich, und bald war uns klar, dass er auf der Suche war.“
„Auf der Suche? Nach Sex?“ fragte Teever.
„Klar, die Homos vögeln immer nur rum.“ Er schlug die flache rechte Hand auf die zur Faust geballten Linken. Es gab ein poppendes Geräusch.
Du bist nicht der einzige, der hier hypersensibel ist, dachte Teever.
Doch Helgi guckte ihn mit einem Gesichtsaudruck milde an, der seiner Geste die Wirkung nahm.
„Natürlich wollte er Sex.“
„Mit dir?“ fragte Teever so vorsichtig er konnte.
Helgi lachte laut auf. „Der stand auf ganz andere Dinge.“
„Wie meinst du das?“
„Nun ja, zuerst saß er nur an der Bar. Wir sind eine kleine Gemeinschaft und da fällt ein Neuer auf.“
„Weil er so alt war?“
„Auch das.“ Er kratze sich an einer Flechte auf dem Handrücken.
„Zunächst redete er mit niemandem. Saß an der Bar.
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