Onkel Schwein (German Edition)
Mal würde er ganz bestimmt lieber Annika Aulin anrufen. Liza hat einen Freund, kapiere es doch, sagte er zu sich selbst.
„Okay, tschüss dann.“
„Tschüss und viel Spaß noch“, verabschiedete sich Teever und während er auflegte, glaubte er eine Männerstimme zu hören, die „werden wir haben“ sagte.
19. Dezember: Isak
Teever erwachte mit einem widerlichen Geschmack im Mund. Metallern, dachte er, nach Blut, und schlurfte zum Spiegel. Doch er sah keine Wunde. Woher auch? Die Tage gingen jetzt, aber die Nächte waren immer noch schlimm. Wieder hatten ihn die Träume gequält. Ab 2 Uhr hatte er gelesen, doch er wusste jetzt schon nicht mehr, was in den Kapiteln geschehen war. Dann war er mit dem Buch auf der Brust eingeschlafen und viel zu früh von dem Geräusch geweckt worden, als der Roman auf den Boden gefallen war. Teever gähnte und spähte zum Fenster. Die Morgendämmerung war höchstens eine Ahnung. Sonnenschein! Selbst der schwächste Winterstrahl konnte helfen, dachte er.
Er hob das Buch auf. Es ärgerte ihn, dass mehrere Seiten abgeknickt waren. So ging man mit Büchern nicht um. Der Umschlag zeigte eine Szene aus einem afrikanischen Dorf. Teever fragte sich, warum er gerade dieses Buch aus dem Regal genommen hatte. Er schlug die erste Seite auf. „Catharina Andersson“ stand da mit feiner blauer Tinte in ihrer schönen Handschrift. Den Roman hatte sie wohl beim Auszug übersehen.
Teever hatte alle Bücher, bis auf ein paar Lexika und andere Nachschlagewerke, in den Aufenthaltsraum für die Gäste gestellt. Sie wurden dadurch zwar nicht besser und manche Lücken zeigten, dass oft vergessen wurde, sie zurückzugeben; aber immerhin wurden sie so gelesen. Lexika, Kochbücher und diverse Ratgeber für Hobbyhandwerker standen in einem Regal in der Küche. Teever war kein großer Leser. Es ermüdete ihn.
Er war auch kein großer Schreiber. Wilhelmsson hatte Teever dazu geraten, damals, als es ihm nach der Sache mit den Kindern besonders schlecht ging, Tagebuch zu führen oder seine Gedanken aufzuschreiben. Teever hatte ihn daraufhin als Hobbypsychologen beschimpft und theatralisch einen Bleistift zerbrochen.
Im Radio lief ein Weihnachtslied. Weihnachten, dachte Teever, das Fest der Liebe. Familien schlagen sich den Wanst voll und tun verlogen auf heile Welt. Und am Abend erbittet man von einem Gott, an den man 364 Tage im Jahr nicht denkt, den Beistand für das nächste Jahr. Catharina hatte das volle Programm geliebt: Eine festlich geschmückte Wohnung, überall Glitzern und Funkeln und es roch nach Keksen und Punsch. Ständig liefen CDs mit weihnachtlicher Musik und sie schien sogar getragener zu sprechen. Das erste Fest ohne sie hatte er in Jogginghose vor dem Fernseher verbracht, Chips gegessen und die Wiederholung irgendwelcher Fußballspiele aus England angesehen, ohne hinterher sagen zukönnen, wer da gegen wen gewonnen hatte. Im Übrigen war er in Selbstmitleid versunken und hatte bestätigt gefunden, was er immer schon gewusst hatte: Er war nicht gern allein.
Andererseits konnte er auch nur schlecht auf Menschen zugehen. Unbefangen schon gar nicht. Kleidung, Gesten, Aussehen. Teever musste sich leider zugestehen, dass er nicht so vorurteilsfrei war, wie er immer geglaubt hatte. Sein Umgang mit der Homosexualität Helgis war für ihn der jüngste Beweis dafür.
Doch sollte er immer weiter darauf warten, dass jemand auf ihn zukam? So wie Helgi das getan hatte? War er immer schon so gewesen, fragte sich Teever? Wie war das mit Catharina gelaufen? Er strich sich über das Kinn. Sie hatte mit ihm auf einer Party geflirtet und den ersten Schritt getan. Wilhelmsson war derjenige, der damals das Eis gebrochen hatte und ihn unter seine Fittiche genommen hatte. Axelsson? Teever wusste nicht mehr genau, wer wen zuerst angesprochen hatte, glaubte sich aber zu erinnern, dass Axelsson sich in der Kantine der Volkshochschule zu ihm gesetzt hatte. Richtig, er hatte Teever ein Glas Cola über die Hose geschüttet. Er dachte an Liza. Bei ihr nun hatte er es zumindest versucht -mit dem bekannten Erfolg. Doch hatte sie sein Interesse an ihr überhaupt bemerkt?
Nach dem kurzen Frühstück fuhr er seinen Computer hoch und suchte nach der Telefonnummer des Lido in Jönköping. Er machte sich wenig Hoffnung, dort am Morgen jemanden anzutreffen, dennoch versuchte er es. Zu seiner Überraschung wurde der Hörer abgenommen.
Der Mann wirkte wie der Besitzer der Bar. Er hatte einen leichten Akzent.
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