Onkel Wolfram - Erinnerungen
sorgsam an, wobei er sie drehte, damit sie gleichmäßig anbrannte. Wenn er an ihr zog, glühte das andere Ende rötlich, und das erste Ausatmen des Rauches begleitete ein Seufzer des Behagens. Während er las, paffte er gemütlich vor sich hin, die Luft wurde blau und der Qualm hüllte uns in eine wohlriechende Wolke. Ich hatte eine Vorliebe für den Duft der schönen Havannas, die er rauchte, und beobachtete gespannt, wie der graue Aschezylinder länger und länger wurde, wobei ich mich fragte, welche Länge er wohl erreichen werde, bevor er auf sein Buch fiele.
Am nächsten fühlte ich mich ihm, und ganz wirklich als sein Sohn, wenn wir zusammen schwimmen gingen. Von frühester Jugend an bewies sich mein Vater als ein leidenschaftlicher Schwimmer (wie schon sein Vater vor ihm). In jüngeren Jahren hatte er es darin sogar zu Meisterehren gebracht: Drei Jahre hintereinander gewann er das Fünfzehn-Meilen-Rennen vor der Isle of Wight. Er hatte uns alle schon als Babys in den Highgate Ponds in Hampstead Heath mit dem Wasser vertraut gemacht.
Die langsamen, raumgreifenden Züge meines Vaters waren einem kleinen Jungen nicht unbedingt angemessen. Aber ich konnte sehen, wie sich mein alter Herr, an Land so massig und schwerfällig, im Wasser in ein geschmeidiges, elegantes Geschöpf - einen Delphin - verwandelte. Und ich, befangen, nervös und ebenfalls ziemlich unbeholfen, erlebte die gleiche wundersame Verwandlung an mir selbst, entdeckte ein neues Ich, eine neue Seinsweise im Wasser. Ich kann mich noch lebhaft an einen Sommerurlaub am Meer erinnern. Es war einen Monat nach meinem fünften Geburtstag, ich lief ins Schlafzimmer meiner Eltern und zerrte an dem massigen, walfischartigen Körper meines Vaters. «Komm schon, Pop! Wir wollen schwimmen gehen.» Er drehte sich langsam um und öffnete ein Auge: «Was fällt dir ein, einen alten Mann von dreiundvierzig um sechs Uhr morgens zu wecken?» Nun, da mein Vater tot ist und ich selbst über sechzig bin, ist mir bei der Erinnerung an diese längst vergangene kindliche Quengelei zum Lachen und zum Weinen zumute.
Später schwammen wir gemeinsam in der großen Badeanstalt in Hendon oder im Welsh Harp in der Edgware Road, einem kleinen See (ich wusste nie genau, ob er natürlich oder künstlich geschaffen war), auf dem mein Vater früher auch ein Boot liegen hatte. Nach dem Krieg, als Zwölfjähriger, konnte ich meine Schwimmzüge den seinen angleichen, seinen Rhythmus übernehmen, sodass wir in vollkommenem Gleichklang schwammen.
Manchmal begleitete ich meinen Vater am Sonntagmorgen auf Hausbesuche. Hausbesuche schätzte er über alles, weil sie neben dem medizinischen auch einen gesellschaftlichen und geselligen Aspekt hatten. Durch sie fand er Zutritt zu Familien und Häusern, lernte er die Menschen und ihre Lebensverhältnisse kennen, sah alle Begleitumstände und Bedingungen einer Krankheit. Die Medizin bedeutete für ihn nie, einfach nur eine Krankheit zu diagnostizieren, sondern auch, sie im Kontext des Lebens seiner Patienten zu sehen und zu verstehen, die Besonderheiten ihrer Persönlichkeit, ihrer Gefühle und ihrer Reaktionen zu erfassen.
Er hatte eine maschinengeschriebene Liste von einem Dutzend Patienten und ihren Adressen bei sich, ich saß neben ihm auf dem Vordersitz und er erklärte mir in sehr schlichten, menschlichen Worten, was jedem Patienten fehlte. Wenn wir ankamen, stieg ich mit ihm aus und durfte meistens seine Arzttasche tragen. Manchmal betrat ich mit ihm zusammen das Krankenzimmer und setzte mich still hin, während er einen Patienten befragte und untersuchte - eine Untersuchung, die rasch und beiläufig erschien, aber dennoch außerordentlich gründlich war und ihm Einblick in die Ursachen der jeweiligen Erkrankung gewährte. Fasziniert sah ich zu, wie er mit seinen kräftigen, dicken Fingern die Brust eines Kranken abklopfte und den Zustand der Organe darunter erfühlte, ertastete. Erst als ich später selbst Medizin studierte, wurde mir so richtig klar, wie meisterhaft er dieses Abklopfen beherrschte und dass er durch das Abtasten, Abklopfen und Abhorchen einer Brust mehr über die betreffende Krankheit erfuhr als die meisten Ärzte durch eine Röntgenaufnahme.
In anderen Fällen, wenn der Patient zu krank oder seine Krankheit zu ansteckend war, setzte ich mich zur Familie in die Küche oder ins Esszimmer. Nachdem mein Vater sich den Patienten im oberen Stockwerk angeschaut hatte, kam er herunter, wusch sich sorgfaltig die Hände und
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