Onkel Wolfram - Erinnerungen
wegweisenden Experiment schmolz Davy Eis durch Reibung und bewies damit, dass Wärme Bewegung, also eine Energieform, und kein materieller Stoff war, wie Lavoisier gemeint hatte. «Das Nichtvorhandensein des Kalorikums oder Wärmestoffs ist bewiesen», triumphierte Davy. Die Ergebnisse seiner Experimente legte er in dem langen «Essay on Heat and Light» dar, einer Kritik an Lavoisier und dem Entwurf einer neuen Chemie, die er zu begründen hoffte, einer Chemie, die endlich von allen Restbeständen der Alchimie und Metaphysik befreit sein sollte.
Als die Kunde von dem vielversprechenden jungen Mann, seinem Verstand und seinen möglicherweise revolutionären neuen Ideen über Materie und Energie zu dem Chemiker Thomas Beddoes drang, veröffentlichte er Davys Aufsatz und lud ihn in sein Labor, das Pneumatic Institute in Bristol, ein. Hier analysierte Davy die Stickstoffoxide (die erstmals von Priestley isoliert worden waren) - Distickstoffoxid (N 2 O), Stickstoffmonoxid (NO) und das giftige braune Stickstoffdioxid (NO 2 ) -, stellte einen detaillierten Vergleich ihrer Eigenschaften an und schrieb einen wunderbaren Bericht über die Wirkung eingeatmeter Distickstoffoxiddämpfe, «Lachgas». Wie Davy die Inhalation dieses Oxids beschreibt, erinnert an den Bericht, den William James hundert Jahre später von der gleichen Erfahrung lieferte, und ist vielleicht die erste Beschreibung einer psychedelischen Erfahrung in der westlichen Literatur:
Augenblicklich verspürte ich ein Prickeln, das sich von der Brust bis zu den Gliedmaßen ausbreitete… Meine visuellen Wahrnehmungen wurden verschwommen und anscheinend vergrößert; überdeutlich hörte ich jeden Laut im Zimmer… Mit der Verstärkung der angenehmen Empfindungen verlor ich alle Verbindung mit äußeren Dingen; eine Kette lebhafter Vorstellungsbilder spulte sich vor meinem geistigen Auge ab und verband sich dergestalt mit Worten, dass vollkommen neuartige Wahrnehmungen entstanden. Ich befand mich in einer Welt ungewohnt verknüpfter und ungewohnt veränderter Ideen. Ich entwickelte Theorien und bildete mir ein, Entdeckungen zu machen.
Davy fand auch heraus, dass Distickstoffoxid ein Anästhetikum war, und schlug seine Verwendung bei chirurgischen Eingriffen vor. (Diesen Gedanken verfolgte er nicht weiter, und die Vollnarkose wurde erst in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, nach seinem Tod, eingeführt.)
1800 las Davy die Schrift, in der Alessandro Volta die erste Batterie beschrieb, die «Volta'sche Säule» - ein Sandwich aus zwei verschiedenen Metallen mit salzgetränkter Pappe dazwischen -, die einen stationären elektrischen Strom erzeugte. Zwar hatte man die statische Elektrizität, etwa von Blitzen und Funken, schon im vorigen Jahrhundert erforscht, doch einen dauerhaften elektrischen Strom hatte man bislang nicht erzeugen können. Voltas Aufsatz, so schrieb Davy später, wirkte auf die Experimentatoren Europas wie eine Weckuhr. Für Davy zeichnete sich plötzlich ab, was er fortan als sein Lebenswerk begriff.
Er überredete Beddoes, eine kompakte elektrische Batterie zu bauen - hundert Doppelplatten aus Kupfer und Zink von 15 Zentimetern im Quadrat, einen ganzen Raum beanspruchend und begann mit seinen ersten Experimenten einige Monate nach dem Erscheinen von Voltas Aufsatz. Er vermutete sogleich, der elektrische Strom werde durch chemische Veränderungen in den Metallplatten verursacht, und fragte sich, ob auch das Umgekehrte zutreffe - ob man durch elektrischen Strom chemische Veränderungen hervorrufen könne.
Wasser ließ sich (wie Cavendish gezeigt hatte) durch Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff erzeugen. [20] Ließe sich jetzt, mit der neuen Kraft des elektrischen Stroms, das Umgekehrte machen), zeigte Davy, dass man es in seine elementaren Bestandteile zerlegen konnte, wobei der Wasserstoff an dem einen Pol - der einen Elektrode - der Batterie und der Sauerstoff am anderen auftrat. Allerdings konnte er erst einige Jahre später beweisen, dass sie dies immer in gleich bleibenden und exakten Anteilen tun.
Wie Davy rasch feststellte, konnte er mit seiner Batterie nicht nur Wasser elektrolysieren, sondern auch Metalldrähte erwärmen: Zum Beispiel ließ sich auf diese Weise ein Platindraht bis zur Weißglut erhitzen. Und wenn man den Strom durch Kohlenstäbe leitete und diese dann nicht sehr weit trennte, sprang ein greller elektrischer «Lichtbogen» hervor und überbrückte sie. («Ein so intensiver Lichtbogen», schrieb er, «dass
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