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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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sogar das Sonnenlicht daneben verblasst.») So stieß Davy fast beiläufig auf zwei Lichtarten, die zwei der wichtigsten elektrischen Beleuchtungen werden sollten: das Glühlicht und das Bogenlicht. Allerdings beschäftigte er sich nicht weiter mit ihnen, sondern wandte sich anderen Dingen zu. [21]
    1789 hatte Lavoisier in seinen Katalog der Elemente die «alkalischen Erden» aufgenommen (Magnesiumoxid, Kalziumoxid und Bariumoxid), weil er vermutete, sie enthielten neue Elemente. Zu ihnen hatte Davy die Alkalien (Soda/Natriumkarbonat und Pottasche/Kaliumkarbonat) hinzugefügt, weil er annahm, dass auch in ihnen neue Elemente zu finden seien. Doch gab es bislang keine chemischen Verfahren, um sie zu isolieren. Davy fragte sich, ob sich mit dem vollkommen neuen Mittel der Elektrizität erreichen ließe, woran die gewöhnliche Chemie bisher gescheitert war. Zunächst wandte er sich den Alkalien zu und führte Anfang 1807 die berühmten Experimente durch, in denen er metallisches Kalium und Natrium durch einen elektrischen Strom isolierte. Als dies klappte, war Davy so außer sich vor Freude, dass er, wie sein Assistent berichtete, durchs Labor tanzte. [22]
    Zu meinen größten Vergnügen zählte es, Davys Originalexperimente in meinem Labor zu wiederholen. Dabei identifizierte ich mich derart mit ihm, dass ich fast das Gefühl hatte, diese Elemente selbst zu entdecken. Durch meine Lektüre wusste ich, wie er das Kalium gefunden hatte und wie es mit Wasser reagierte. Ich trennte also ein kleines Stück ab (es schnitt sich wie Butter, und die Schnittfläche erglänzte in leuchtendem Silberweiß - allerdings nur einen kurzen Augenblick lang, dann lief es an). Langsam ließ ich es in eine Schale Wasser gleiten und trat einen Schritt zurück - kaum schnell genug, weil sich das Kalium augenblicklich entzündete, schmolz und wie ein wild gewordener Tropfen in der Schale herumfuhr, eine violette Flamme auf dem Rücken trug, laut knisterte und glühende Fragmente in alle Richtungen spuckte. Nach wenigen Sekunden hatte sich das kleine Kügelchen in dem Verbrennungsprozess aufgezehrt, und nur noch seine Reste dümpelten friedlich auf dem Wasser in der Schale. Doch das Wasser fühlte sich jetzt warm und seifig an; es hatte sich in eine Ätzkali-Lösung verwandelt und färbte ein Stück Lackmuspapier blau, weil es alkalisch geworden war.
    Natrium war viel billiger und reagierte nicht ganz so heftig wie Kalium, daher beschloss ich, mir seine Wirkung im Freien anzuschauen. Ich besorgte mir einen Klumpen von gehöriger Größe - rund drei Pfund - und unternahm mit meinen beiden besten Freunden Eric und Jonathan einen Ausflug zu den Highgate Ponds in Hampstead Heath. Dort begaben wir uns auf eine kleine Brücke, wo ich das Natrium mit einer Zange aus dem Öl holte und es nach unten ins Wasser fallen ließ. Augenblicklich fing es Feuer und raste wie ein wahnsinnig gewordener Meteor über die Wasseroberfläche, wobei es mit gelber Flamme brannte. Wir waren hellauf begeistert - das war Chemie in großem Stil!
    Andere Mitglieder der Alkalimetallfamilie waren noch reaktionsfreudiger als Natrium und Kalium, Metalle wie Rubidium und Zäsium (außerdem gab es noch das leichteste und reaktionsträgeste Alkalimetall - Lithium). Es war faszinierend, die Reaktionen aller fünf zu vergleichen, indem man jeweils von allen kleine Klümpchen ins Wasser gab. Das musste vorsichtig geschehen, am besten mit einer Zange, dazu musste man sich und seine Gäste mit Brillen ausrüsten: Lithium glitt gemächlich über die Oberfläche des Wassers, reagierte mit ihm, setzte Wasserstoff frei, bis es verbraucht war; ein Klumpen Natrium fuhr mit aggressivem Geräusch auf der Oberfläche herum, entzündete sich aber nicht, wenn man nur einen kleinen Klumpen verwendete; Kalium dagegen fing Feuer, sobald es das Wasser berührte, brannte mit einer blassen, mauvefarbenen Flamme und versprühte kleine glühende Teilchen seiner selbst in alle Richtungen; noch reaktionsfreudiger war Rubidium, das mit rötlichvioletter Flamme verzischte, während Zäsium, wie ich feststellen musste, explodierte, sobald es mit Wasser in Kontakt kam, und den Glasbehälter platzen ließ. So haben sich mir die Eigenschaften der Alkalimetalle unauslöschlich eingeprägt.
    Bevor Humphry Davy Natrium und Kalium entdeckte, hielt man die Metalle für hart, dicht und unschmelzbar, und hier gab es nun welche, die weich waren wie Butter, leichter als Wasser, sich sehr einfach schmelzen ließen und dabei

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