Onkel Wolfram - Erinnerungen
weitgehend, und die Gruppe zeigte einfache, lineare Tendenzen.
Schwieriger verhielt es sich mit den Eigenschaften von 43 und 61, denn das waren keine «typischen» Elemente (im Mendelejewschen Sinne). Und genau mit solchen nicht typischen Elementen hatte Mendelejew Schwierigkeiten bekommen, woraufhin er sich veranlasst sah, seine ursprüngliche Tabelle zu revidieren. Die Übergangsmetalle zeigten eine gewisse Homogenität. Alle dreißig waren sie Metalle, und die meisten waren, wie Eisen, hart und fest, dicht und unschmelzbar. Das galt in besonderem Maße für die schweren Übergangselemente, etwa die Platinmetalle und die Glühfadenmetalle, mit denen Onkel Dave mich vertraut gemacht hatte. Mein Interesse an Farben brachte mich zu einer weiteren Erkenntnis: Während die Verbindungen typischer Elemente im Allgemeinen farblos waren, wie das Tafelsalz, besaßen die Verbindungen der Übergangsmetalle häufig lebhafte Farben: die rosa Mineralien und Salze von Mangan und Kobalt, das Grün der Nickel- und Kupfersalze, die vielen Farben des Vanadiums. Und zu ihren vielen Farben gesellten sich auch ihre vielen Valenzen. Alle diese Eigenschaften zeigten mir, dass es sich bei den Übergangselementen um eine besondere Spezies handelte, von ganz anderer Natur als die Hauptgruppenelemente.
Trotzdem durfte ich die Vermutung wagen, dass Element 43 einige Merkmale von Mangan und Rhenium aufwies, den anderen Metallen in seiner Gruppe (so hatte es wahrscheinlich eine Maximalvalenz von 7 und bildete farbige Salze), dass es aber auch eine allgemeine Ähnlichkeit mit den benachbarten Übergangsmetallen in ihrer Periode gab - mit Niob und Molybdän zur Linken und den leichten Platinmetallen zur Rechten. Daher ließ sich vorhersagen, dass es ein glänzendes, hartes, silberfarbenes Metall mit vergleichbarer Dichte und ähnlichem Schmelzpunkt sein würde. Es musste sich um genau die Art von Metall handeln, an der Onkel Wolfram Gefallen gefunden hätte, um genau die Art von Metall, die Scheele in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts entdeckt haben würde - wenn es denn in vernünftigen Mengen existierte.
Am schwierigsten war eine genauere Vorhersage zu Element 61, das fehlende seltene Erdenmetall, denn diese Elemente waren in vielerlei Hinsicht am verwirrendsten.
Ich glaube, zum ersten Mal hat mir meine Mutter von den seltenen Erden erzählt. Sie war Kettenraucherin und zündete sich mit ihrem kleinen Ronson-Feuerzeug eine Zigarette nach der anderen an. Eines Tages zeigte sie mir den «Feuerstein», sie zog ihn heraus und erklärte, es handle sich nicht um einen echten Feuerstein, sondern um ein Metall, das Funken erzeuge, wenn man an ihm kratze. Dieses «Mischmetall» - überwiegend Zer - setzte sich aus einem halben Dutzend verschiedener Metalle zusammen, alle sehr ähnlich, alle seltene Erden. Der merkwürdige Name - seltene Erden - hatte einen mythischen, märchenhaften Klang für mich, und ich stellte mir vor, die seltenen Erden seien nicht nur selten und kostbar, sondern hätten auch besondere, geheime Eigenschaften, die ihr Privileg seien.
Später erzählte mir Onkel Dave von den außerordentlichen Schwierigkeiten, die die Chemiker gehabt hatten, die einzelnen seltenen Erden zu trennen - es gab ein Dutzend oder mehr -, weil sie sich erstaunlich ähnlich waren, manchmal sogar in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften nicht zu unterscheiden. Ihre Erze (die aus irgendeinem Grund alle aus Schweden zu kommen schienen) enthielten nie nur eine seltene Erde, sondern immer eine ganze Reihe, als hätte die Natur selbst Probleme, sie zu unterscheiden. Ihre Analyse bildete eine eigene Legende in der Geschichte der Chemie, eine Legende von besessener Forschung (und manchmal bitterer Enttäuschung), die über hundert Jahre währte. Die Trennung der wenigen letzten seltenen Erden überstieg die Möglichkeiten der Chemie im 19. Jahrhundert. Erst als physikalische Methoden wie Spektroskopie und fraktionierte Kristallisation zur Verfügung standen, ließen sie sich schließlich trennen. Nicht weniger als fünfzehntausend fraktionierte Kristallisationen, die sich die infinitesimalen Unterschiede zwischen der Lösbarkeit ihrer Salze zunutze machten, waren erforderlich, um die letzten beiden, Ytterbium und Lutetium, zu trennen - ein Unterfangen, das Jahre in Anspruch nahm.
Trotzdem gab es Chemiker, die von diesen schwer greifbaren seltenen Erden fasziniert waren und ihr Leben lang versuchten, sie zu isolieren, weil sie glaubten, ihre
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