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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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radioaktive, die Netzhaut zerstörende Rot des Radiums als letztes Bild mit in die Dunkelheit genommen.)
    Diese Flammproben waren sehr empfindlich - weit empfindlicher als viele chemische Reaktionen, die «Nassproben», die ebenfalls zur Analyse von Stoffen verwendet wurden - und verstärkten den Eindruck, dass die Elemente fundamentalen Charakter besaßen, behielten sie doch in allen Verbindungen ihre besonderen Eigenschaften. Das Natrium ging «verloren», so konnte man meinen, wenn es sich mit Chlor zu Salz verband -, doch das unübersehbare Natriumgelb in einer Flammprobe erinnerte mich daran, dass es noch immer vorhanden war.
    Zu meinem zehnten Geburtstag hatte mir Tante Len James Jeans Buch The Stars in Their Courses geschenkt, und ich war wie berauscht gewesen von der dort geschilderten imaginären Reise ins Herz der Sonne und der beiläufigen Erwähnung, dass die Sonne Platin, Silber, Blei und die meisten anderen Elemente enthalte, die wir auf der Erde haben.
    Als ich Onkel Abe davon berichtete, gelangte er zu dem Schluss, dass es an der Zeit sei, mich mit der Spektroskopie vertraut zu machen. Er schenkte mir das 1873 erschienene Buch The Spectroscope von J. Norman Lockyer und lieh mir sein kleines Spektroskop. Lockyers Buch enthielt wunderhübsche Abbildungen, die nicht nur verschiedene Spektroskope und Spektren zeigten, sondern auch bärtige viktorianische Wissenschaftler in Gehröcken, die mit dem neuen Apparat Kerzenflammen untersuchten - es vermittelte einen sehr persönlichen Eindruck von der Geschichte der Spektroskopie, von Newtons ersten Experimenten bis hin zu Lockyers eigenen bahnbrechenden Beobachtungen der Sonnen- und Sternenspektren.
    Die Spektroskopie hatte tatsächlich im Himmel begonnen, im Jahr 1666 mit der prismatischen Zerlegung des Sonnenlichts durch Newton, der zeigte, dass es aus Strahlen «unterschiedlicher Brechbarkeit» bestand. Newtons Sonnenspektrum setzte sich durchgehend aus leuchtenden Farbstreifen zusammen, die sich wie ein Regenbogen von Rot bis Violett spannten. Hundertfünfzig Jahre später erkannte Joseph Fraunhofer, ein junger deutscher Optiker, der ein viel feineres Prisma und einen engen Spalt benutzte, dass das Newtonsche Spektrum auf ganzer Länge von merkwürdigen dunklen Linien unterbrochen war - «eine unendliche Zahl senkrechter Linien von verschiedener Dicke». (Am Ende zählte er über fünfhundert.)
    Man brauchte helles Licht, um ein Spektrum zu erhalten, aber es musste kein Sonnenlicht sein. Es genügte auch das Licht einer Kerze, Kalklicht oder das farbige Licht von Alkalimetallen oder Erdalkalimetallen. In den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden auch diese untersucht, woraufhin sich ein vollkommen anderes Spektrum zeigte. Während das Sonnenlicht einen Leuchtstreifen mit jeder Spektralfarbe darin hervorrief, erzeugte das Licht von verdampftem Natrium nur eine einzige gelbe Linie, eine sehr schmale Linie von großer Leuchtkraft vor einem tiefschwarzen Hintergrund. Ähnlich verhielt es sich mit den Flammenspektren von Lithium und Strontium, nur dass diese eine Vielzahl heller Linien enthielten, vorwiegend im roten Bereich des Spektrums.
    Woher kamen die dunklen Linien, die Fraunhofer 1814 sah? Standen sie in irgendeiner Beziehung zu den hellen Spektrallinien brennender Elemente? Diese Frage stellten sich damals viele Forscher, doch die Antwort fand sich erst 1859, als Gustav Kirchhoff, ein junger deutscher Physiker, sich mit Robert Wilhelm Bunsen zusammentat. Bunsen war zu diesem Zeitpunkt schon ein namhafter Chemiker und ein unermüdlicher Erfinder - zu seinen Entwicklungen gehörten Fotometer, Kalorimeter, das Kohlezinkelement (das noch mit geringfügigen Änderungen in den Batterien verwendet wurde, die ich in den vierziger Jahren zerlegt hatte) und natürlich der Bunsenbrenner, den er erfunden hatte, um die Farberscheinungen besser untersuchen zu können. Sie bildeten ein ideales Paar: Bunsen, ein hervorragender Experimentator - praktisch, technisch brillant, einfallsreich - und Kirchhoff mit seinem breiten theoretischen Hintergrund und mathematischen Fähigkeiten, die Bunsen möglicherweise abgingen.
    1859 führte Kirchhoff ein einfaches und sehr elegantes Experiment durch, aus dem hervorging, dass das Spektrum mit den hellen Linien und das mit den dunklen Linien - das Emissions- und das Absorptionsspektrum - ein und dasselbe waren, einfach entgegengesetzte Aspekte desselben Phänomens: der Fähigkeit der Elemente, bei Verdampfung

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