Online Wartet Der Tod
gestoßen wurde, und dazu einen freundlichen Ruf auf Russisch. Zoya machte ihrem Mann auf. Vitali – der von seiner Frau Vitya genannt wurde – kam herein und stutzte, als er Ellie sah. »Detective. Ich wusste nicht, dass wir Besuch haben.«
»Ganz kurz. Ich bin nur vorbeigekommen, um mich dafür zu entschuldigen, dass ich Ihre Frau neulich so in Aufregung versetzt habe. Nach den neuesten Entwicklungen sieht es so aus, als hätten die aktuellen Morde doch nichts mit Tatianas Tod zu tun. Es wird so sein, wie Sie gesagt haben: Waffen wechseln den Besitzer. Es tut mir sehr leid, dass ich so schmerzliche Erinnerungen geweckt habe.«
Vitali nickte und dankte ihr für die Information. Hinter ihm stand die schweigende Zoya. Ellie entschuldigte sich ein weiteres Mal und ging.
Wie nach ihrem ersten Besuch auch blieb sie noch einen Moment vor der Wohnungstür stehen. Sie hörte Vitali mit dem kleinen Anton raufen. Sie hörte, wie Zoya etwas auf Russisch sagte und er sehr schnell antwortete. Zoyas Ton wurde eindringlicher, Vitalis zornig. Als Ellie begann, die Treppe hinunterzugehen, hatte der Wortwechsel sich bereits zu einem heftigen Streit ausgewachsen.
Ellie fragte sich, ob die Rostovs trotz all des Geredes von Zoya über ihr Glück mit diesem liebevollen und fürsorglichen Mann zu den Paaren gehörten, die praktisch rund um die Uhr stritten. Falls nicht, hatten ihre Besuche bei den beiden eine solche Wirkung, und das warf natürlich die Frage auf, was sie unter der glatten Oberfläche zu verbergen hatten.
Kurz nach fünf fuhr Ellie beim Metropolitan Detention Center in Brooklyn vor. Die abendliche Besuchszeit hatte gerade begonnen; eine lange Schlange wand sich um den bunkerähnlichen Betonbau. Als Ellie daran vorbei direkt zur Sicherheitsüberprüfung ging, spürte sie die Blicke von Ehefrauen, Freundinnen, Müttern und Kindern sehr deutlich. Feindselig verfolgten sie, wie die blonde, hellhäutige Frau, die offensichtlich befugt war, zügig abgefertigt wurde, während sie in Dunkelheit und Kälte ausharren mussten.
Der Aufseher am Eingang war noch sehr jung. Er trug sein Haar kurz geschoren; wahrscheinlich hatte er eben erst seinen Wehrdienst hinter sich gebracht. »Ich möchte Lev Grosha besuchen. Special Agent Charlie Dixon müsste mich auf seine Besucherliste gesetzt haben.«
Der Wachmann schaute in seinem Computer nach und nickte schließlich. »Brauchen Sie Ruhe?«
»Wenn es geht …«
»Ich stecke Sie in den Bereich, wo die Häftlinge mit ihren Anwälten reden. Die Gespräche werden überwacht.«
»Das machen die Anwälte mit?«
»Meinen Sie, John Ashcroft hat an die Anwälte gedacht, als er mit seinem Patriot Act die Spielregeln geändert hat? Setzen Sie sich an einen der Tische weiter hinten. Grosha wird gleich da sein.«
Der Mann, der wenige Minuten später an ihren Tisch geführt wurde, sah dem Lev Grosha vom Foto durchaus ähnlich, hatte aber eine unerwartet harte Ausstrahlung. Er war dünner, drahtiger als der blasse Blondschopf, der achtzehn Monate zuvor ins MDC eingeliefert worden war. Als er sich ihr gegenüber niederließ, erkannte sie unterhalb des hochgeschobenen Pulloverärmels ein Stück von einer dunkelgrünen Swastika. Sie wartete, bis der Aufseher sich entfernt hatte.
»Guten Tag, Mr. Grosha. Mein Name ist Ellie Hatcher. Ich bin Detective beim New York Police Department.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass Sie mich besuchen wollen?« Er sprach mit Brooklyn-Akzent, aber eine Spur von russischem Einschlag war auch noch zu hören. »Die Verjährungsfristen für alles, was ich vielleicht angestellt habe, bevor ich hierhergekommen bin, müssen doch abgelaufen sein. Zwei Jahre, oder?«
»Bedaure. Bei den schwereren Delikten sind es meistens fünf.«
»Das hat man davon, wenn man auf Gefängnis-Anwälte hört.« Er lächelte schwach, und jetzt sah sie mehr Ähnlichkeit zwischen dem Mann, der ihr gegenübersaß, und dem Foto in ihrer Tasche.
»Das muss Sie jetzt nicht beunruhigen, denn mein Besuch hat nichts mit den Dingen zu tun, die Sie vielleicht getan haben. Mir geht es um Morde, die begangen wurden, während Sie hier waren.«
»Da habe ich ein wasserdichtes Alibi, würde ich sagen.«
»Das haben Sie. Innerhalb des vergangenen Jahres sind drei Frauen ermordet worden, die alle Kundinnen einer Internet-Kontaktbörse namens FirstDate waren. Sagt der Name der Firma Ihnen irgendetwas?«
»Nein. Ich meine, ja, also ich habe davon gehört. Ich habe von Leuten gehört, die sich
Weitere Kostenlose Bücher