Online Wartet Der Tod
machten nur umso deutlicher, wie sehr Tatianas Leben sich von dem der anderen beiden unterschieden hatte. Das entging auch den Rostovs nicht.
»Diese Frauen«, sagte Vitali, »waren offensichtlich ganz anders als Zoyas Schwester. Sie sind ja die Polizei, aber Waffen können auch wegkommen, wissen Sie. Waffen werden gestohlen und weiterverkauft. Vielleicht gibt es überhaupt keine Verbindung zwischen Tatiana und dieser ganzen Sache, und in dem Fall könnten wir Ihnen gar nicht helfen.«
Die implizite Botschaft war unmissverständlich. In dem Fall hätten Sie auch nicht herkommen und meine Frau an das erinnern müssen, was ihrer Schwester zugestoßen ist. Ellie gab ihm ihre Karte, entschuldigte sich noch einmal für die Störung und dankte ihnen für die Auskünfte.
»Vielleicht, Mrs. Rostov, interessiert Sie, was ich bei meinen bisherigen Befragungen erfahren habe: nämlich, dass Ihre Schwester für ihren Lebensunterhalt hart gearbeitet hat, dass sie bei ihrer Arbeitsstelle als sehr zuverlässig galt und dass sie im Begriff war, die Beschäftigung, von der Sie eben gesprochen haben, aufzugeben.«
Zoyas große Augen wurden feucht, und einen Moment lang wirkte sie ganz still, wie versunken in eine Erinnerung an frühere Zeiten mit ihrer Schwester. Dann begannen die Tränen zu fließen, und sie verbarg das Gesicht im Nacken des Babys.
»Entschuldigung. Entschuldigung«, murmelte sie und verschwand mit dem Baby im hinteren Teil der Wohnung.
Ellie fiel nichts ein, was sie sagen konnte, als Ed und sie plötzlich mit Vitali allein dastanden. »Sie wird schon wieder«, sagte dieser und machte eine beschwichtigende Geste. »Sie weint, und dann wird sie wieder so sein wie immer. Machen Sie sich keine Sorgen.«
Noch einmal forderte Ellie ihn auf, anzurufen, falls ihm noch etwas einfallen sollte oder falls sie ihrerseits etwas tun könne. »Ich glaube nicht, dass es dazu kommt, Detective. Inzwischen ist viel Zeit vergangen, und Zoya hat sich damit abgefunden, dass wir wahrscheinlich nie erfahren, wer das Tatiana angetan hat. Aber trotzdem, wir bewahren Ihre Nummer auf.«
Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, blieb Ellie noch einen Augenblick stehen. Nur Sekunden später hörte sie die Rostovs auf Russisch miteinander reden. Trotz der fremden Sprache bekam sie mit, wie angespannt der Ton war, wie eindringlich und zornig.
»Was meinen Sie, worum es da geht?«, flüsterte sie.
»Um das, worüber sie sich wahrscheinlich schon gestritten haben, bevor wir aufgetaucht sind«, erwiderte Ed und begann die Treppen hinunterzusteigen. »Und, was halten Sie von ihnen?«
»Ich weiß nicht, was ich mir eigentlich erhofft hatte. Eine Verbindung zu FirstDate, nehme ich an. Vielleicht sind wir auch komplett auf dem Holzweg. Er hat ja recht, Waffen wechseln den Besitzer. Ein gefrusteter Freier kann Tatiana erschossen und die Waffe weiterverkauft haben. Oder er hat es mit der Angst zu tun gekriegt und die Waffe einfach am West Side Highway fallen lassen, wo ein anderer sie aufgelesen hat; und der hat dann später Hunter damit umgebracht. Da fische ich total im Trüben.«
»Das ist der technisch-beweisrechtlich treffende Ausdruck dafür: trübe.«
»Was halten Sie denn von ihnen?«, fragte sie und wies noch einmal nach oben. »Waren sie damals auch so? Unmittelbar, nachdem das passiert war?«
»Was meinen Sie mit: auch so ?«
»So … ich weiß nicht … irgendwie distanziert. Kalt? Nicht interessiert? Ich meine, sie haben keine einzige Frage zu den anderen Frauen gestellt – wer sie waren, was sie mit Tatiana zu tun gehabt haben könnten. So oder so schien es ihnen vollkommen gleichgültig, ob wir den Fall lösen können oder nicht.«
Becker hatte gleich eine Erklärung parat. »Das lässt sich in vielen Mordfällen beobachten: Sowie man die Nachricht vom Tod eines Opfers überbringt, schreiben die Angehörigen denjenigen ab, als wäre er schon seit Jahren unter der Erde.«
»Aber die Schwester war doch aufgebracht. Sie wollte nur offenbar nichts mit mir zu tun haben.«
»Nehmen Sie das bloß nicht persönlich. Manche Leute werden von ihren Emotionen schlicht mitgerissen. Wer weiß? Vielleicht denkt sie noch mal nach über das, was Sie ihr erzählt haben, dass es mit Tatiana schon besser geworden war, und so weiter. Vielleicht hören Sie doch noch von ihr.«
»Vielleicht.«
»Wo wollen Sie eigentlich jetzt hin? Ich kann Sie mitnehmen.«
»Einfach zur nächsten U-Bahn-Station, das wäre nett.«
»Höre ich richtig? Sie
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