Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Pinneberger gewandt. Sein Name sei Hein Dattel.
Onno zu Edda, im Jugendjargon: »Und ich so …« Er fügte ein mimisches Emoticon mit der Bedeutung ›Oh-nein-auch-das-noch!‹ an.
»Geboren«, war Loy fortgefahren, »und aufgewachsen in … ach, scheiseal. Jedenfalls haßte ich von Anfang an zwei Dinge.« Loy schnaubte und stierte.
Onno zu Edda: »Und dann hat er auch noch ’n Hänger, und ich so: ›Anchovis‹.« Daran hatte Onno sich allen Ernstes noch erinnern können: Haßte von Anfang an zwei Dinge, Anchovis und daß mein Schwager immer in meine Buddelschiffbuddeln pinkelte.
»Aaaah«, hatte Albert dankbar weitergemacht. »Richtig: Anchovis, und daß mein Schwager immer in meine Buddelschiffbuddeln pinkelte.«
Der eine Pinneberger hatte gekichert, der andere die Brauen gehoben.
»Deshalb riß ich mit acht Jahren aus und ging als tauber Passagier an Bord eines rostigen Seelenverkäufers, der unter zagen Glenfiddich-Maske fuhr.«
»Und ich so: ›Maske? Flagge!‹ Und er so …«
»Flagge! Flagge! Flagge! Flagge!« Loy machte sich in Richtung Jungens lang. »Maske am Arsch! Flagge!« Und obwohl er einen Südwester getragen habe und sicherheitshalber noch einen Nordoster, habe ihn Kaptein Kuddel Hornochs entdeckt und zum Leckschrubben verdonnert. So habe sie begonnen, seine Karriere auf den elf Weltmeeren. Er sei zum Ausguck aufgestiegen, dann zum Tümmler und schließlich zum Ersten Klabautermann. Und zwar auf dem Dingi ›Dongo‹.
An der Stelle hatte Loy schwankend die Arme ausgebreitet, um einen Zwischenapplaus in Empfang zu nehmen. Kam aber keiner. Gekränkt fuhr er fort. »Eines Nachts in der Kubischen Nehrung, drei Grad ostwestlich vom zagen sozagen … äh …«
»Und ich so: ›Schnoddrigen Haff‹ …«
»Genau, vergaß man mich in einer lausigen Spelunke«, sagte Loy. »Zotensüchtig und nautisch zerrüttet, begegnete ich Jahrzehnte später meinem rostigen Schwager wieder – beim Aluminiumschürfen im monegassischen Busch. Wo woll’n se denn hin.«
»Und ich so: ›Zurück nach Pinneberg, vermutlich, nech.‹ Und er so …«
»Fagen, zack. Äh Fack, zagen. Puh. Die jungen Hühner heutzutage … Als Geschäftsmann gescheitert, war er mit achundachtzig Jahren von zu Hause ausgerissen und machte nun in Julklapp. Liebte … zagen …«
»Anchovis«, sagte Onno.
»… und daß er immer meine Buddelschiffbuddeln vollgepinkelt hatte. Und dann zog ich ihm meine Flasche über die Rübe und sagte: ›Ich taufe dich auf den Namen Flasche!‹ So. Woll’n wa nich noch ein’ sparen?« Zagend hatte Loy sein leeres Glas in Richtung Onno hochgehalten. »Roswitha! Gib ma’ noch so’n – wie heißt der – so’n Witwenmacher!«
»Wußt’ ich schon immer«, sagte Edda, »daß der total bekloppt ist. Mann, hat mich das immer genervt damals, wenn ihr da immer eure ›Gruppensitzungen‹ abgezogen habt.«
»Immer?«
»Immer.«
Nicht, daß Onno das nie klar gewesen wäre. Nur war ihm grad danach, ein, zwei Haare zu spalten. Und schon war der Anfall wieder vorbei.
Edda züngelte nach einem Sahneklecks, der in den Winkel zwischen Amorbogen und Stupsnase zu fliehen suchte. »Das geht doch jetzt nicht wieder los?«
»Was.«
»Eure ›Gruppensitzungen‹.« Nach denen Onno oft noch zu ihr gekommen war, um ihr den größten Quatsch vorzulallen – und zwar in einem Idiom, für das Edda den schönen Ausdruck Astra-Jiddisch geprägt hatte.
»Ah geh fort«, imitierte Onno Heinz Becker, kläglich, versteht sich. »Wir haben die Handynummern ausgetauscht, weiter nix, nech.«
»Wozu das denn.«
»Na ja, macht man doch so, wenn man sich zwanzig Jahre nicht gesehen hat.«
»Ja?«
»Nich?«
Edda fixierte ihren Blick auf die Törtchenforke. Was sie eigentlich wollte, war Onnos Bestätigung, daß er seinen Eingangssatz ernst gemeint hatte – den Satz, mit dem er eine Stunde zuvor den Rapport über seine Kiezerlebnisse am Vorabend eingeleitet hatte: »Ich glaub’, ich werd’ doch lieber nicht Detektiv, öff, öff.«
Edda kannte ich fast so lang wie Onno. Wie oft hatte ich im guten alten Plemplem mit ihr geflirtet – o ja: Ich war nicht unverschossen in ihre Schwellformen und Sommersprossen, und nicht erst nach dem dritten Halben! –, während Onno danebenstand und gütig grinsend Gläser wienerte. Selbstverständlich wurde Raimund sein Trauzeuge und selbstverständlich ich der ihre, und selbstverständlich war ich (in einem Arbeitsrechtsprozeß) ihr Anwalt geworden, bevor ich
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