Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
wie: » Tf . Tf . Tf .«)
»Komm, Neunundneunzig«, sagte Onno. Einer seiner zahlreichen Kosenamen für Edda. Nach der Kennummer der Kollegin des Agenten Maxwell ›Sechsundachtzig‹ Smart, in die Onno seit der Sechziger-Jahre-TV – Serie Mini-Max vernarrt war. Onno entkoppelte sich von seinem SHK 29, das er trotz der frühlingshaften Außentemperaturen angestellt hatte, wenngleich auch nur auf Stufe eins. Schultertherapie. Rappelte sich aus der Sofakuhle hoch und überließ sie Edda. Die den Kuchenteller von sich schob und sich ächzend lang machte. »Und Füße hoooch«, befahl sie sich wohlig stöhnend, als habe sie nicht bereits nach ihrem Mittagsimbiß ein Stündchen Siesta gehalten. Onno schob eine alte Scheibe von Eric Burdon in den Player und surfte im Internet. Edda schnappte sich ihren Strickauftrag.
Für sie war das Thema damit abgeschlossen. Status quo: Unsympath Quecke kriegte seinen ekligen Auftrag zurück; eine anderweitige Detektivkarriere sollte Onno in Gottes Namen ansteuern. Ihr tantenhaftes Wohlwollen Fiona gegenüber hatte in dem Moment ein Ende gefunden, als Onno schwor, die habe sich tatsächlich mit einem Kiezschläger eingelassen. Für sie knackte die Unterhaltsamkeit von solcher Art Dekadenz an Punkten wie diesen.
Auf dem Herd stand fürs Abendessen ein Bottich Kartoffelsuppe parat und im Kühlschrank eine Flasche 98er Sorgenkärrner Schmutzfuß von ALMOS (wie der schöne Raimund zu sagen pflegte, »’ne schöne Pulle Essig«) –, und damit waren die Bedingungen für einen sog. gemütlichen Fernsehabend (= GFA) eigentlich bereits erfüllt. (Hieß ursprünglich GF, bis Raimund immer heilloser von »Geschlechtsferkehr« faselte.)
Ein GFA unterschied sich von zielgerichtetem Film-, Video- und DVD – Konsum durch drei Dinge: 1. Willkür (= Zapping). 2. Asynchronität; d. h., eine/r bedient die Zappbazooka, die oder der andere wurschtelt anderweitig. Wobei Onno das »Tätigkeitsverb« (Onno) walten vorzog. 3. ungezwungene Kommunikation, die mit dem Geschehen auf dem Bildschirm korrespondieren darf, aber nicht muß.
Vor kurzem hatte unser Traumpaar zudem ein Spielchen erfunden und kultiviert, das für den GFA wie geschaffen war. Sie nannten es FikProHo. »Paß auf, paß auf«, sagte Edda etwa, nach einer halben Stunde schweigsamen Zappings plötzlich sacht erregt. »Ernst Kahl, nä? Der Ernst Kahl, nä?«
»Ernst Kahl, logo«, sagte Onno gespannt. »Der große Ernst Kahl.«
»Und Barbara Auer!«
Die einzige Spielregel war denkbar einfach: anhand fiktiver Prominentenhochzeiten (= FikProHo) Doppelnamen kreieren. Dazu inspiriert worden war Onno von dem TV – Komiker Karl Dall. Der hatte, wenn Onno sich recht erinnerte, einst die Tennisspielerin Martina Hingis diesbezüglich vorsorglich gewarnt, den Torwart-Titan Oliver Kahn zu ehelichen.
Eigentlich waren die Bedingungen für einen GFA also ganz gut. Nach dem Schlemmen waltete Onno abwechselnd auf dem Balkon – Tauben verjagen etc. (»Machst du bitte lieber die Tür zu, Uhuchen! Die verfluchten Mücken!«) – und am PC, und Edda tauschte die Stricknadeln gegen die Zappbazooka, und irgendwann zwischen »V-GIRLS«, »Pastewka« und »3 nach Neun« fing sie an zu kichern. »Uhuchen?« (Wobei, übrigens, Uhu die Abk. v. »unter hundert« ist. Auf seinem fünfzigsten Geburtstag hatte sie ihn vor die Alternative gestellt, ob sie ihn künftig lieber Uhu oder Üfü nennen solle. Raimund entschied für ihn. Üfü klinge »zu schwül«.)
Onno brummte, starrte aber weiter auf den PC – Monitor und versuchte, aus seinem leeren Weinglas zu trinken. Die Flasche war schon länger leer, und Edda als klassische Biertrinkerin hatte ihr halbes Glas im Nippmodus verbraucht. »Dieser Spacken«, sagte sie, »weißt du, von früher, aus der Lindenstraße. Willi Herren. Nä? Ich glaub, der war auch mal im Dschungelcamp und beim Promi-Boxen und so. Paß auf. Willi Herren, nä? Und Glenn Close.«
Anstatt seinen beifälligen Blick zu erheischen, blickte sie weiterhin geradeaus auf den Fernsehschirm. Bei aller Bescheidenheit fand sie jedoch, daß ihr neuester Coup mehr verdient hatte als Ignoranz, und so schaute Edda denn doch mit amüsierter Fassungslosigkeit nach dem Viertelprofil ihres Gatten, der in der diametral entgegengesetzten Zimmerecke saß und gegen dieselbe Wand starrte wie sie – nur auf den anderen, kleineren der Bildschirme. »Uhuchen?Huhu!On-no!!«
Da schließlich schrak er hoch. Sie wiederholte ihren kühnen Wurf, doch seine
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