Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Boutique, Restaurant, Bar, Abfalleimer. Tafeln, die authentische Spezialitäten feilbieten: Haxe mit Kraut, Pizza ›Morasta‹, Spaghetti ›Polonaise‹. Fast wie daheim in Muffhagen am Donnerbalken – gäbe es nicht die angrenzenden achtgeschossigen Betonanstalten und dahinter, sterilisiert wie ein Sandkasten, Strand.
Sein Halbmond verschwand weitgehend unter einer bumerangförmigen Schule von Strohpilzen. Jeder einzelne davon beschattete zwei azurblaue Polyesterbahren. Auf jeder dutzendsten kauerte mit gänsehäutigen Beinen einE RentnerIn in nicht nur witterungsmäßig gewagter Badetoilette und schielte in die HEZ. (Schlagzeile über dem Foto eines barbusigen Flittchenquintetts mit Transparenten vor dem Eingang der Showbar Hammonia : Mopsfidele Luder: BULLE, WIR WOLLEN EIN RIND VON DIR!) Buckel, Dutte, dunkle Brillen. Dekolletés wie verbrannter Toast. Ein Gesächsel, Geschwäbel und Gebabbel, daß die Haftkleber Fäden zogen. Ein Slum. Zombiebums. Rudi’s Resterampe für den Schnitter. Zwanzig Prozent auf alles! (Außer Tiernahrung.)
Onno brach in das aus, was er nach Hühnerköpfen am meisten auf der Welt haßte: Schweiß. Plötzlich war die graugepolsterte Himmelsdecke genau über der Sonne gerissen, und mit dem Elan einer Giftspritze stach sie unserem Pingpongkameraden durch Friesennerz, Sweat- und T-Shirt. Schleunigst machte Onno kehrt, suchte im Gewirr der Ortsauswärtsstraßen nach dem Parkplatz, auf dem er seine A-Klasse abgestellt hatte, und fuhr zurück zum Casa Maria.
Dort stieg er die Steintreppe mit Chromgeländer hinab und stapfte den Sandstrand entlang. Terrassen aus schroffen, schwarzen Gesteinsbreien. Spontan legte Onno sich in T-Shirt und Hose barfuß in den schmalen Schatten einer Palme. Mit Windjacke und Sweatshirt als Matte pennte er unverzüglich ein und – verbrannte erneut. Diesmal richtig.
Am späten Mittag aß der Meisterdetektiv Hercule Puterrot auf der Terrasse unter den Röcken der alten Kiefern einen Burger. Sperlinge unterstützten ihn.
Gegen Abend wachte er auf seinem Zimmer von der Siesta auf, fühlte sich nicht so recht und schrieb sich krank. Nahm eine Ibuprofen, stellte das Handy aus und pennte umgehend wieder ein. Nachts um vier erwachte er wieder, lauschte dem Brummen seines Schädels, bis die Müllabfuhr kam, und pennte wieder ein. Den einzigen klaren Gedanken, den zu fassen er in dieser Lage fähig war – und der einer gewissen Triftigkeit, ehrlich gesagt, ja auch keineswegs entbehrte –, lautete: Ich bau aber auch nur Scheiße. Irgendwie freute er sich schon drauf, das im Tre tigli zu erzählen.
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Donnerstag, 29. April (noch 1 Tag bis Ultimo Fiskus). Den gesamten Vormittag blieb Onno auf seinem Zimmer. Oxydierte vor sich hin. Nach einem erneuten Nickerchen um die Mittagszeit ging’s ihm besser. Puffrot unter den angegrauten Bartstoppeln schrillte ihm sein Teint aus dem Badspiegel entgegen. Beim Wühlen in seinem Kulturbeutel stellte Onno gütig grinsend fest, daß seine Doofheit mal wieder schlauer gewesen war als seine Schlauheit: Statt Sonnencreme hatte er Creme zur Behandlung von Sonnenbrand eingesteckt. (Eddas Angebot zur Mithilfe beim Abhaken einer Checkliste hatte er rigoros abgelehnt – ein Ausdruck seines schlechten Gewissens.)
Nun rennt er bei seinem ersten Auslandseinsatz also herum wie Intschu-tschuna? Und wenn schon. Viel cooler wirkt ein Jake Gittes, der sich den halben Film mit verbundener Nase durch Chinatown schnüffelt, auch nicht gerade. (Er konnte es selbst kaum glauben, daß er immer noch diese albernen Vergleiche mit der Welt des Genres zog …)
Auf der Terrasse trank Onno frierend einen überraschend guten Kaffee. Appetit hatte er keinen. Außer auf Schwarzen Krauser, der ihm bei der Konzentration auf seine Aufgabe aber auch nicht sehr viel weiterhalf. Es war zum Mäusemelken, aber es wollte ihm partout nicht gelingen, einen Entschluß zu fassen: Was soll er jetzt tun? Wie ist überhaupt die Lage? Kann Dr. Watson mal ein kleines Dossier anfertigen? (Schon wieder.)
Er vermißte Edda so sehr, daß er unwillkürlich die linke Hand hob, um sie im Nacken zu kraulen. Das Handydisplay war leer. Niemand hatte angerufen. Das angezeigte Datum erschreckte ihn: 29. April! Vor seinem inneren Auge sah Onno einen Ludwig ›Ärmelschoner‹ Käßner bereits die Feder wetzen. Sehr geehrter Herr Viets! Da wir bis Ultimo den Eingang der ersten Rate des mit Schreiben vom bla bla bla bla blarrr …
Und dann begann Onno, an seinem
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