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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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wählerischste gourmet könnte kaum einen Einspruch erheben; denn, entschuldige mein lieber Op Oloop, der Fehler liegt in dem so heterogenen menú. Wir Mädchenhändler essen entweder aus Berufsräson in luxuriösen Hotels oder aus Staatsräson in verschmutzten Gefängnissen … Daher ist uns der Wein wichtiger als das Essen; denn da er reiner Geist ist, unterwirft sich die Materie seiner transzendenten Herrschaft. Unter diesem Gesichtspunkt, wenn man seine bloße Funktion bewertet, ist ein schlichtes Glas herben Weins aus Mendoza ebensoviel wert wie ein geschliffener Kristallkelch mit Heidsieck Monopole. Denn was in uns anschlägt, ist nicht der Geschmack, sondern die Absicht des Weines, nicht das bouquet, das den Gaumenbogen einbalsamiert, sondern das Aroma, das sich in unserer Innenwelt ausdehnt.«
    »Darf man trinken?«
    »Man darf.«
    »Auf das Wohl unseres erlauchten Kupplers!«
    Und alle tranken.
    Die rauschende Leutseligkeit des Trinkspruchs rötete Gastón Mariettis Gesicht. Er haßte alles pompöse Gerede. Die letzte Vokabel klirrte noch in seinen Ohren, als er, ohne sich zu erheben, mit zurückhaltender Geste und reich an Schläue seinen Dank aussprach: »Ich danke Ihnen für ihr Votum und den Titel des erlauchten Kupplers. Doch erlauben Sie mir eine Frage: Was ist besser und würdiger, meine tausend Risiken ausgesetzte Kuppelei oder die bequeme Kuppelei gewisser Dienststellen der Regierung, wo jeder vergebene Posten einer Gunst gleichkommt?«
    Die treffende Wirkung der Anspielung versenkte alle in eine meditative Haltung, die aus der Ferne betrachtet – aufgrund der über den Tellern hängenden Blicke – wie vulgäre Freßgier aussah.
    Die nun aktive und aufmerksame Bedienung des Restaurants erlaubte den normalen Fortgang des Dinners. Wie nicht anders zu erwarten, war es Erik Joensun, der seine Portionen verputzte und um Nachschlag bat. Seine gerötete und schlaffe Haut sowie seine lärmende Wesensart standen in scharfem Kontrast zum abgezehrten Gesicht und der kontrollierten Dynamik seines Tischnachbarn Ivar Kittilä.
    »Sie knurren, aber Sie machen nichts, als vor sich hinzukauen.
    Sie erinnern mich an Lionel Barrymore …«
    »Wie sollte ich nicht knurren! Dieser Spargel ist schlecht.«
    »Wo Sie doch nachgenommen haben …«
    »Er ist schlecht!«
    »Ist es nicht vielleicht der Rahm? Die Kochkunst liegt in der Kunst, die Überreste vorheriger Gerichte auszunutzen.«
    »Üble Nachreden, Peñaranda. Seit ich Finnland im März 1919 verlassen habe, esse ich in Hotels. Ihre Küche wird übermäßig kritisiert. Neid derer, die zur familiären Alltagskost verurteilt sind. Erbitterung derer, die an Verdauungsstörungen leiden … Ich habe niemals irgendwelche Beschwerden des Verdauungstrakts gehabt. Ich verteidige die Hotels hartnäckig gegen die üblichen Verleumdungen. In ihren Versuchsstuben wurden die gourmandises erdacht, die mich genährt haben, und die Köstlichkeiten, die mir vergönnt waren. Ich bin ein sanftmütiger Adlatus von Gasterea und kein vulgärer Vielfraß. Sehen Sie mich an. Mein Körper ist weder der eines Benediktiners noch der eines Stadtstreichers, der seine tägliche Abstinenz mit ein paar Happen und einem viertel Liter Wein oder Cidre ablenkt. Mein Körper fordert und ich stelle ihn zufrieden. Damit möchte ich Ihnen aufzeigen, daß das Hotel für mich Mutter und Schule gewesen ist: eine Mutter, die mich im Kult der Gesundheit unterwiesen hat, eine Schule, die mich in diese wundervolle Wissenschaft eingeführt hat, die den Magen zum Gehirn erhebt: die Gastrosophie. Wohin ich auch gehe, breitet sich daher meine Dankbarkeit – ein großzügiger Weinfleck – auf den Tischtüchern der Hotels aus.«
    »Ertränken Sie sie mit Moselwein, Sie, der soviele Menschen im Unterseekrieg ertränkt hat … Doch seien Sie vorsichtig: wir alle hier sind Extremisten«, warnte Sureda.
    »Extremisten? Von Op Oloop ist mir bekannt, daß er in der Roten Garde an der Einnahme von Helsinki beteiligt war. Aber Ivar, Gastón, Slatter …«
    »Jawohl. Alle sind wir Extremisten … in unserer Art, Spargel zu essen …«
    »Sehr hübsch; a-b-e-r d-e-r S-p-a-r-g-e-l ist schlecht.«
    Die allgemeine Lachsalve warf ihn wie ein Püppchen beim Scheibenschießen um. Sein erschlaffter Mund murmelte zwischen schaurigen Grimassen eine stumme Schmährede vor sich hin.
    Nach kurzer Zeit gewann die Herzlichkeit in einem Toast auf den ewigen Studenten wieder die Oberhand, dessen Witz nun selbst der Kapitän

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