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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
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James, Pamiok, Kajojok, Kakujok, Ajajak, Kajok, Kahungnak, Sortuluk, Kamerak, Nagdli, Kakojek, Kastor und Kudlipiluk. »Jetzt ist ein großer Hundeverschlag an Bord und ein mords Hundegestank«, notiert Roderich.

7. August 2011
Grönland, Ostküste

    Wir machen uns auf die Suche nach Johan Petersen. Wir fragen im Tourismusbüro nach ihm und in der Bibliothek, doch keiner weiß, wo sein Haus steht. Das Problem ist, dass Petersen schon seit etwa 80 Jahren tot ist. Er war dänischer Statthalter in Tasiilaq und empfing meinen Opa am Ufer, als der nach dem Ende der Expedition bärtig und zerzaust in einem Frauenboot hergebracht wurde. Opa hat bei ihm gewohnt und als Dank eine hochwertige Sonnenuhr mit römischen Ziffern für die Hauswand gezimmert. Wir wollen herausfinden, ob die Uhr noch hängt.
    Opas Tagebuch liefert leider kaum Anhaltspunkte für die Ortsbestimmung: »Petersen hat in seinem ›Garten‹ einen jungen Eisbär, der sehr wütend ist, wenn man an seine Kiste kommt, und mit den Tatzen nach einem haut. Er soll mit uns nach Kopenhagen in den Tiergarten reisen. Gegenüber in einem anderen Kistenkäfig ist ein junger Blaufuchs, der lustig guckt und sehr scheu ist. Wenn ich an der Sonnenuhr von Petersen arbeite, unterhalt ich mich zur Abwechslung manchmal damit, den Bär zu ärgern.«
    Hilfreicher ist ein altes Foto von Tasiilaq, das meine Mutter dabei hat. Damals standen hier nur sechs oder sieben Hütten. Die ehemalige Statthalterresidenz liegt demnach schräg oberhalb der alten Kirche. Ein gelbes Häuschen mit Gerüst auf dem Dach, es wird gerade renoviert, das muss es sein. Doch hinter dem Gartenzaun entdecken wir weder Eisbärenkäfig noch Sonnenuhr, dort liegen nur Holzabfälle.
    Carl-Erik Holm, der Betreiber des einzigen Museums in Ostgrönland, bestätigt uns, dass wir das richtige Haus gefunden haben. »Damals haben die das erst komplett in Dänemark aufgebaut, dann wieder abgerissen und mit dem Schiff herübergebracht. Heute steht es unter Denkmalschutz, eine junge Krankenschwester wohnt da.«
    Das Museum ist voller alter Kajaks und Waffen, Töpfe und Werkzeuge. Und Schwarz-Weiß-Fotos, viele davon aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Inuit in ihren Zelten, dänische Forschungsreisende mit Ferngläsern, Landschaftsaufnahmen. Kein Bild, kein Zeitungsschnipsel deutet auf eine Expedition im Jahr 1912 hin. Die Schweizer hat man am Zielort ihrer gefährlichen Reise offenbar vergessen.
    Vor 99 Jahren war Johan Petersen der wichtigste Ansprechpartner für Besucher aus dem Ausland, heute ist das Robert Peroni: Der 66-jährige Südtiroler betreibt das »Rote Haus«, eine Unterkunft für Trekkingreisende, und fährt mit zwei Booten Touristen durch die Fjorde. Fast alle seine Angestellten sind Inuit. Er legt Wert darauf, den Einheimischen Jobs zu verschaffen, die ihn dafür wie einen Halbgott verehren.
    Bevor er ins Tourismusgeschäft einstieg, leitete er einige besonders wagemutige Inlandeis-Expeditionen. Eine ging über
unfassbare 1400 Kilometer, eine andere versuchte er in der ewigen Nacht des arktischen Winters.
    Im Wohnzimmer seiner Herberge sitzt eine Kajak-Reisegruppe und sieht sich einen Film an. »Der weiße Horizont« ist sein Titel, er handelt von Peronis letzter Tour aufs Inlandeis. Im Jahr 2010 zog er mit einer Gruppe los, um noch einmal den Ort zu erleben, an dem der Horizont aller vier Himmelsrichtungen nichts als endlose Weiße erkennen lässt. Den »weißen Horizont«, wo es keine Bergspitze mehr gibt, keine Vertikale, egal, wohin man blickt. Peroni hat eine unheilbare Bluterkrankung, die Ärzte gaben ihm damals nur noch wenige Monate. Er wusste: Das ist die letzte Chance in seinem Leben, dieses Abenteuer zu wagen.
    Die Zuschauer erleben einen hustenden, röchelnden alten Mann, der im Zelt mit einer Sauerstoffmaschine beatmet wird. »No Limits« steht auf seiner Daunenjacke, doch der Kragen verdeckt einen Teil der Schrift, sodass nur noch das »No« zu lesen ist. Der Erzähler aus dem Off betont ständig, auf Peronis letzter Reise dabei zu sein, einige Stellen sind kaum zu ertragen, so nah dran ist die Kamera am Leid des Protagonisten. Die letzten Tagesetappen ist er so erschöpft, dass er sich auf einem Hundeschlitten ziehen lassen muss. »Das ist so eine Ironie, dass ich diesmal das Hindernis bin«, sagt Peroni im Film. Als Expeditionsleiter war er dafür berüchtigt, seine Mitstreiter mit gnadenlosen Marathonetappen bis zum Umfallen zu fordern.
    Nun sind es die anderen, die gegen die

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