Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
Lebensmittel, beides Mangelware in Ostgrönland. Die Einheimischen, die als Nomaden umherzogen und in einfachen Erdhütten Schutz vor den Wintern suchten, waren durch Hungersnöte stark dezimiert worden Möglicherweise bewahrte die Ankunft der Dänen die paar Hundert Bewohner der Region vor dem Aussterben. Schon bald nahm die Bevölkerung wieder zu.
Auch heute schicken die Dänen noch Geld, Lehrer und Polizisten. Doch selbst die mildesten Kolonialherren kennen keine Formel, wie man indigene und westliche Kultur ohne Kollateralschäden zusammenbringt.
Heutzutage bleiben die meisten der Besucher nur für einen Tag. Sie schwärmen morgens in Zodiacbooten vom Kreuzfahrtschiff aus, mit ihren Kameras und Geldbörsen und Handgelenk-Bändchen, und sind abends wieder verschwunden, wie ein Tagtraum.
Auf staubigen Straßen laufen wir zurück zum Zeltplatz. Zum Einschlafen lauschen wir dem Krachen rollender Eisberge in der Fjordbucht und dem Gewinsel der Hunde am Ufer.
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DE QUERVAIN, ALFRED
Geboren am 15. Juni 1879 in Uebeschi bei Thun.
Sohn des Pfarrers Frédéric de Quervain, wuchs zusammen mit neun Geschwistern in Muri bei Bern auf. 1897 Matura am Lebergymnasium in Bern, anschließend Studium der Geophysik und Meteorologie in Bern. Praktikum am Observatoire de météorologie dynamique in Trappes bei Versailles unter Léon-Philippe Teisserenc de Bort, dem Entdecker der Stratosphäre. Forschungen zur Erdatmosphäre mit unbemannten Wetterballons, im Winter 1900/1901 Russland-Aufenthalt, um dort Temperaturen in verschiedenen Höhen zu messen. Praktikum in der Sternwarte Neuenburg, 1902 Promotion zum Thema »Die Hebung der atmosphärischen Isothermen in den Schweizer Alpen und ihre Beziehung zu den Höhengrenzen«. Assistenzstelle in Straßburg bei Professor Hugo Hergesell an der internationalen Kommission zur Erforschung der höheren Atmosphäre, hier für die Koordination der Pilotballonaufstiege zuständig. Ab 1905 Privatdozent an der Universität Straßburg, ein Jahr später Ernennung zum Direktor-Adjunkt an der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt in Zürich. Privatdozent an der Universität Zürich. 1909 Grönland-Expedition mit einem ersten Vorstoß aufs Inlandeis, zahlreiche Messungen mit Wetterballons. 1911 Heirat mit Elisabeth Nil, 1912 Grönland-Durchquerung von West nach Ost. Publikation zweier Reiseberichte und einer Sammlung der wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Arktisreisen. Nach seiner Rückkehr Leitung der Schweizerischen Erdbebenwarte Degenried in Zürich und Ernennung zum Titularprofessor an der Universität Zürich. 1922 zusammen mit dem späteren Ballonflugpionier Auguste Piccard Entwicklung des bis dahin genauesten Seismographen mit einer Pendelmasse von 21 Tonnen. Mitinitiator der hochalpinen Forschungsstation Jungfraujoch, die 1931 eingeweiht wurde.
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Mai 1912
Holstenborg, Westgrönland
Die Expeditionsmitglieder schleppen ihre Ausrüstung von der »Hans Egede« an Land und verabschieden sich mit einer kleinen Kajakparade. Und einem Trompetenkonzert: Roderich bläst »Muss i denn zum Städtele hinaus«, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine grönländische Uraufführung.
Die Besatzung an Deck antwortet weniger musikalisch mit Böllerschüssen, dann verschwindet das Schiff langsam gen Süden.
Die Schweizer machen das, was Besucher bis heute als Erstes tun, wenn sie in Grönland ein Schiff verlassen: shoppen gehen. Sie lassen sich vier Hundepeitschen machen, um für den Intensivkurs im Kutschieren von Schlitten gerüstet zu sein. Die etwa sieben Meter langen Folterinstrumente bestehen zum Großteil aus der Haut des sogenannten Riemenseehundes, an der Spitze ist ein Zwick angebracht aus Matak, der Haut des Weißwals. Ein echtes Kunstwerk. »Über Peitschenriemen wird in Grönland mit ebenso grossem Ernst gesprochen wie bei uns über Gletscherseile«, schreibt Alfred de Quervain.
Wie es die Einheimischen schaffen, mit diesen Geräten punktgenau den Hund zu treffen, den sie zu mehr Arbeitseifer anspornen wollen, bleibt den Besuchern zunächst ein Rätsel. Sie bewundern die Inuit für ihre Geschicklichkeit und wollen von ihnen lernen. Der Halbgrönländer David Ohlsen hat sich bereit erklärt, ihnen ein paar Fahrstunden zu geben. Per Motorboot reist die Gruppe über Wasser, auf dessen Boden man grüne Algen sehen kann, zu seinem Haus in Sarfanguak. Es liegt einige Kilometer fjordeinwärts von Holstenborg entfernt, acht Stunden sind sie unterwegs zwischen graubraunen Uferfelsen,
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